Gesellschaft in Angst

12 Years A Slave

Der Film 12 Years A Slave ist zurecht gelobt und geehrt: Regisseur Steve McQueen hat alles richtig gemacht. Ihm ist ein Werk über die Sklaverei in den USA gelungen, das beim Zusehen wehtut und zugleich zutiefst befriedigt, dass es so einen Film gibt. Ein emotionales und ästhetisches Erlebnis – ohne viel Pathos.

Da ist man ein geachteter Bürger, spielt Violine und hat eine Familie, man bekommt einen Auftrag, geht auf Tournee und nach ein paar Bechern Wein zuviel wacht man im Kerker auf – angekettet. Im Falle von Solomon Northup ist es keine Ausnüchterungszelle, sondern die Gefangenschaft in Sklaverei. Er kann noch so sehr protestieren und beteuern, das sei ein Missverständnis, er sei ein freier Mann und gehöre nicht hierher. Die Typen, die ihn festhalten, interessiert an diesem Menschen nur, was er wohl auf dem Markt bringt. Auf dem Schwarzmarkt wohlgemerkt – und das hat hier leider zwei Bedeutungen.

Das ist die Ausgangssituation des Films 12 Years A Slave, der sich auf die gleichnamigen Memoiren Northups von 1853 stützt. Regisseur Steve McQueen (Hunger, Shame) fackelt nicht lange, bis er zur Sache kommt. Gerade einmal wenige Minuten lässt er sich für die Exposition Zeit, kaum beginnt man, den Protagonisten kennenzulernen, wird er schon aus seinem Leben gerissen und furchtbar verprügelt, so schlimm, dass der Schläger zerbricht, der auf seinen Rücken niedergeht. Die Kamera hält drauf, beschönigt wird in diesem Film nichts – und das ist ein großes Verdienst. Einige Male wird das Auspeitschen so ausführlich gezeigt, dass das Zuschauen wehtut. Einmal sieht man eine solche Szene nur aus der Ferne, während im Vordergrund der Alltag weiter geht. Das Peitschengeräusch ist auf der Baumwollplantage normal wie das Vogelgezwitscher. In einer anderen Szene werden – ebenso beiläufig – in Selbstjustiz zwei Sklaven erhängt. Auch solche Darstellungen hinterlassen Eindruck. McQueen kennt kaum Sentimentalität. Das ist seine zweite Stärke. Die Inszenierung ist angenehm zurückhaltend, indem sie einfach die Ereignisse für sich sprechen lässt. Sie vertraut darauf, dass das Furchtbare nicht noch fürchterlicher gemacht werden muss. Die Grausamkeit, wie Menschen mit Menschen umgehen, ist empörend genug. Dass eine Frau von ihren Kindern getrennt wird, tangiert den Sklavenhändler nicht. Seine Ware ist nicht mehr wert als Vieh.

Demütigung und Unterdrückung

Der Titel nimmt bereits die Handlung vorweg: Northup wird zwölf Jahre lang als Sklave gehalten, misshandelt, mehrere Male wechselt er den Besitzer. Er ist ein Mann, der zwar auf seiner Freiheit besteht, aber schnell lernt, nicht darüber zu sprechen. Allerdings bewahrt er sich noch einen Rest Selbstachtung: Einmal nimmt er einem seiner Peiniger auch einmal die Peitsche ab, um ihn damit zu verprügeln. Doch sobald sich die Rollen verkehrt haben, wird es lebensgefährlich. Bei der herrschenden Willkür kann man als Sklave eigentlich nichts richtig machen. Für die Herren und ihre Diener findet sich immer ein Grund zur Demütigung und Strafe. Diese Gesellschaft beruht auf Unterdrückung.

Im Laufe des Films wird deutlich, dass das Konzept Sklaverei mitte des 19. Jahrhunderts zum Scheitern verurteilt ist, weil die Menschen, die sie ausüben, sich in fadenscheinige Rechtfertigungen flüchten, um sie zu legitimieren. Der Sklavenhalter Edwin Epps (Michael Fassbender) liest seinen Leuten die entsprechenden Passagen aus der Bibel vor, die ihm seiner Meinung nach erlauben, seine Knechte zu bestrafen. Er sieht in seinen Sklaven bloß einfältige Affen – doch nur, weil er sie von jeglicher Bildung fernhält. So zeigt 12 Years A Slave eine Gesellschaft in Angst. Die schwarze Minderheit fürchtet sich vor der Repression oder dem Tod, die herrschende Mehrheitsgesellschaft hat Angst, dass die Unterdrückten sich als das herausstellen könnten, was sie dem Anschein nach sind: nämlich Menschen. Mit dieser Einsicht kämpfen die Sklavenhalter und unterdrücken nicht nur die Schwarzen, sondern auch ihre eigenen Schuldgefühle. Am Ende darf Brad Pitt die Moral von der Geschicht predigen und den Tag retten, aber das ist schon in Ordnung.

Minimalistische Musik

Zu loben ist auch der Soundtrack. Zwar wurde der große Hans Zimmer als Komponist gewonnen, doch der hält sich weitgehend zurück. Zwei Stücke durfte der gute Mann beisteuern, die Main Theme besteht im Wesentlichen gerade einmal aus vier Noten. Die restliche Musik ist ebenso minimalistisch, und bildet zum Teil nur eine Geräuschkulisse. Northups fröhliches Gefidel muss für die Launen seines Masters herhalten, der seine Sklaven nachts zum ‚fröhlichen‘ Tanzen abkommandiert. In einem ebenso starken Widerspruch stehen die beiden Lieder des Films: Einer der Sklaventreiber singt vor seinen Arbeitern den rassistischen Song „Run Nigger Run“ (verständlicherweise  nicht auf dem Soundtrack.) und das Pendant dazu singen die Sklaven später selbst: „Roll Jordan Roll“, ein Spiritual.

Bei diesem Film gibt es nichts zu meckern. Außer an den Zuständen. Danach möchte man eine Revolution starten, die Sklaven befreien, die Halter bestrafen – aber nein, die Sklaverei ist ja längst abgeschafft, die Schwarzen in den USA dürfen wählen usw. Also alles gut? Nein. Heute soll es mehr Sklaven geben als je zuvor. Das Tückische: Weil dazu die gesetzliche Grundlage fehlt, blüht der Markt im Verborgenen.

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