Es ist vielleicht diese kurze Einleitung, die dem Weltraumfilm Gravity sein Gewicht verleiht: „At 372 miles above the earth there is nothing to carry sound, no air pressure, no oxygen. Life in space is impossible.“ Was folgt ist eine anderthalbstündige und eindrückliche Demonstration, was das Weltall ist: ein tödliches Nichts. Nach diesem Horror-Trip, wenn man wieder tief Luft holen kann, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich des Lebens auf der Erde zu freuen. So etwas Selbstverständliches und Banales wie Sauerstoff und Gravitation scheinen plötzlich Segen zu sein.
Dennoch treiben sich immer wieder Menschen da oben herum. Lassen sich mit Höllenexplosionen aus der Atmosphäre schießen und in der Schwerelosigkeit durch enge Kapseln treiben, nur ein paar Zentimeter vom Tod durch Ersticken, Erfrieren oder Platzen entfernt. Jetzt schon mehr als 50 Jahre. Viel ist dabei bisher nicht herumgekommen – außer einem Spaziergang auf einem öden Gesteinsbrocken, den wir Mond nennen. Und ob die Missionen wirklich stattgefunden haben, wird wahrscheinlich mittlerweile von mehr Menschen bezweifelt als angenommen.
Die Sahara ist spannender als der Mars
Aber: es ist auch gar nicht wichtig, ob je Menschen den Mond betreten haben. Der Mehrwert dieser Missionen ist gering. Was ist auch zu erwarten von einem Staubkrümel im Weltraum? Schon lange steht der Mars als nächstes auf der Agenda. Warum eigentlich? Viel mehr als vom Mond ist da auch nicht zu erwarten. Da ist eine Expedition in die Sahara spannender. Während der Weltraum in den 60ern noch als die letzte Grenze der Menschheit galt, wirkt er heute lahmer denn je.
Und jetzt diese Rosetta-Aktion. 30 Jahre lang Vorbereitung, zehn Jahre Raumflug, eine Milliarde Euro Kosten, um ein paar Fragen zur Entstehung des Universums zu klären. Ein Mega-Hype, vor allem im Internet: Eine Bandbreite von klugen Kommentaren bis hin zu dummen Witzen im Analbereich. Kurz nachdem Philae auf dem Kometen landete, war die Euphorie beendet: Batterie leer, Mission tot. Rund ein Drittel der Kosten, 290 Millionen Euro, hat Deutschland zu diesem Rohrkrepierer beigetragen. Zum Vergleich: 124 Millionen Euro haben die Deutschen vergangenes Silvester für Raketen und Böller ausgegeben – dafür hatte man wenigstens was Buntes zum Gucken statt dieser öden Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Rosetta und ihrem Kometen.
Letzte Hoffnung Hollywood
Ach, es ist erbärmlich! Die Raumfahrt steckt in einer tiefen Krise. 1968 drehte Kubrick einen Science-Fiction-Film, der immerhin eine Reise zum Jupiter im Jahr 2001 imaginiert. Doch die Realität des Jahres 2001 hinkte der Fantasie hinterher: man bastelte gerade mal an der ISS im Erdorbit herum. Wo bleibt endlich die Technologie für den Warp-Antrieb? Wo sind die Tore in eine andere Dimension? Nix da, wir schaffen es nicht mal, eine popelige Sonde auf einem Kometen durchhalten zu lassen. Die Erwartungen an die Wissenschaft werden in der Raumfahrt mehr enttäuscht als sonstwo.
Die letzte Hoffnung ruht auf dem Kino. Christopher Nolan setzte jüngst mit Interstellar Kubricks Vision als verkopfte Wurmlochreise um und geriet dabei – buchstäblich und intertextuell – in eine Wiederholungsschleife. Es wirkt, als hätte das ‚realistische‘ Raumfahrerkino mit Gravity seinen Höhe- und Endpunkt gefunden. Der Weltraum ist ein toter Ort, ein Dead End und damit ist der Film auch eine Absage an die Raumfahrt: Besinnen wir uns wieder mehr auf das Irdische.
Mehr Fantastik in der Realität
Was bleibt, ist die Flucht in die Fantastik. Sie treibt im Kino nach wie vor ihre Blüten. Nachdem J.J. Abrams das angestaubte Star Trek-Franchise fit fürs 21. Jahrhundert gemacht hat, bastelt er nun an einer Fortsetzung von Star Wars herum, die Ende 2015 erscheinen soll (The Force Awakens). In dieser Tradition der Weltraum-Saga steht auch Guardians of the Galaxy, mit dem James Gunn in diesem Jahr Maßstäbe für ein unverkrampftes Erzählen mit Witz und Leichtigkeit setzte. Hier treibt die Vorstellungskraft Blüten, bietet kauzige Aliens vom Waschbären bis zum Baum und imaginiert bunte Welten, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat – und wohl auch nie in echt zu sehen bekommt. Welten mit eigenen Regeln, wo Naturgesetze und Logik Nebensache sind. Das ist im Rahmen des Genres und der Komödie okay.
Doch dann ist da diese eine Szene, in der Star Lord und Gamora ohne Raumanzug durchs Weltall treiben – und den kurzen Ausflug natürlich überleben. (Eine ähnliche Szene gibt es in dem Animationsfilm Titan A.E., wo es nur ausreicht mal kurz die Luft anzuhalten, wenn man durchs Nichts treibt.) Selbst wenn die Figuren übermenschliche Fähigkeiten haben: Nach Gravity kann so eine Szene nur ärgerlich sein. Da fiebert man mit Sandra Bullock mit, dass ihr gerade das nicht passiert und dann so ein Schmarrn! Das bisschen Realismus sollte man auch der Fantastik abverlangen können. Ebenso wie ein bisschen mehr Fantastik in der Realität wünschenswert wäre.