Altersschwäche

Splitter-Verlag

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Nein, ich bin noch nicht so bejährt, dass man mich einen alten Miesepeter nennen könnte. Gerade mal zarte 30 – also gar kein Alter. Zwar bin ich von Natur aus kritisch, manchmal sogar etwas zynisch, aber daran sind bloß die Medien schuld, die mein sonniges Gemüt mit zu vielen schlechten Nachrichten korrumpiert haben. Manchmal frage ich mich: Wie soll das erst mit 60 werden? Aber ich bleibe optimistisch und lese lieber Geschichten über alte Leute, die ständig nörgeln, früher sei alles besser gewesen – als abschreckendes Beispiel, um nicht so zu werden. Der französische Comic Die alten Knacker von Wilfrid Lupano und Paul Cauuet ist so eine Geschichte. Spätestens als ich las, wie toll er sein soll, musste ich ihn haben. Aber leider hat er mich enttäuscht. Und so muss ich doch den Miesepeter spielen. Auch wenn ich damit einsam sein sollte.

Doch zunächst das Lob: Es kann nicht genug davon geben für die herausragenden Zeichnungen. In diesen alten Knackern steckt nämlich so viel Leben, so viel Liebe zum Detail, jede Falte und jedes Haar lässt sie vitaler aussehen als sie eigentlich sind. Die herrlichen Kulissen und Landschaften, die satten Farben – all das ist eine wahre Augenweide. Bei dieser liebevollen Gestaltung könnte man die üblichen Attribute für sympathische Rentner finden: kauzige, verschrobene, liebenswerte Opas. Die Charaktere wirken zwar zu bemüht gefällig, aber man könnte das mit gutem Willen noch durchgehen lassen.

Aber dann ist da noch die Geschichte, die erzählt wird. Und an ihr scheitert der Band. Da ist eine viel zu lange Exposition, zu viel Hintergrund, der in Dialogen nacherzählt wird, zu viel Schwelgerei, zu viel Dümpelei. Schwer kommt die eigentliche Handlung in Gang: Drei alte Freunde machen sich auf in die Toskana, um ihren alten Arbeitgeber aufzusuchen, weil der mal was mit der Frau eines Opas hatte. Das stellt sich erst nach dem Tod der Frau heraus, die ihrem Mann einen Brief geschrieben hat. Wütend braust der los, um sich am Ehebrecher zu rächen, die Freunde fahren hinterher. Begleitet werden sie von der schwangeren Enkelin des Betroffenen; sie fährt den Bus. Doch kaum sind sie angekommen, ist der Konflikt auch schon erledigt und alles löst sich in Wohlgefallen auf.

Höhepunkt ist der Wutausbruch der jungen Frau, die darüber schimpft, was für eine schreckliche Welt die alten Knacker ihren Nachkommen hinterlassen haben, aber das ist – wie leider auch der Rest – nur ein Abhaken von Klischees. Die Pointen wirken so lahm und altersschwach, dass sie bestenfalls ein müdes Lächeln auslösen. Man kann nur hoffen, dass der Comic im Original besser funktioniert. Nach 56 Seiten ist der Rentnerspaß auch schon vorbei, viel zu schnell, aber ein zweiter Band ist bereits angekündigt. Kann man machen, muss man aber nicht. Mir ist die verbliebene Lebenszeit jedenfalls zu schade. Tut mir leid, liebe Fans. Ich bleibe lieber bei About Schmidt.

>> Lupano/Cauuet: Die alten Knacker. Bd. 1: Die übrig bleiben, Splitter Verlag 2015.

Ein Kommentar

  1. Huiuiui, du gehst ganz schön hart ins Gericht mit Titel! Wobei ich mir jetzt, nach der Lektüre deiner Kritik, denke, dass ich vielleicht zu milde war.

    Wo ich dir folgen kann, ist, dass Stereotype aufgegriffen werden, aber das hat das Genere (Semi-Funnies) ja so an sich (weshalb ich selten welche lese). Der von dir beschriebene Höhepunkt allerdings, stellt sich mir jetzt nicht sonderlich klischeehaft dar: Die Sozialkritik an den älteren Generationen (Raubbau an der Natur etc.) finde ich jetzt nicht sonderlich paradigmatisch in Comics dargestellt und hat ja auch seine Berechtigung, da ist ja was dran.

    Der Aufbau der Story ist zum Schluss hin tatsächich etwas fahrig, aber irgendwie hat es mein Leseerlebnis kaum geschmälert. Genauso wenig fand ich, dass die Pointen derart lahm waren. Aber wie gesagt, ich bin jetzt verunsichert.

    Hier ist meine Meinung dazu:
    https://zwieklugscheisser.wordpress.com/2015/08/11/lupano-cauuet-die-alten-knacker-1-die-uebrig-bleiben-zuletzt-gelesen-053/

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