Eigentlich könnte sich Vincent Marbier glücklich schätzen: Nach erfolglosen 15 Jahren als Comic-Zeichner ist ihm mit dem Fantasy-Schmonz „Der Pfad der Schatten“ ein Bestseller gelungen. Eigentlich ist Band 2 längst geschrieben und wartet nur noch auf seine Visualisierung. Eigentlich steht Marbier nichts im Weg: keine Frau (er ist geschieden), kein Kind (er hat ein gutes Verhältnis zu seinem Sohn) und vor allem keine existenziellen Sorgen. Und trotzdem: Es klappt nicht. Die Fans wollen mehr, der Verlag sitzt ihm im Nacken – doch er kommt nicht weiter. Der Held prokrastiniert bei Signierstunden und lügt seinen Kollegen etwas davon vor, seine Mappe mit den Originalen im Zug vergessen zu haben. Man will ihn ersetzen durch ein junges Talent, das auf Bestellung schnell liefert. Marbiers gerade erst begonnene Karriere scheint vor dem Aus zu stehen.
Was ist eigentlich Marbiers Problem? Doch dann kommt am Ende die Katastrophe, die Marbier ganz abstürzen lässt, was ihm hilft neu anzufangen: mit einem eigenem, einem Herzensprojekt.
Es ist der alte Grundkonflikt zwischen Kunst und Leben, zwischen Selbstverwirklichung und Selbsterhaltung, zwischen Idealismus und Pragmatismus. Doch leider findet der Autor
dazu keinen neuen Ansatz, um diesen Topos interessant zu präsentieren. Immerhin schafft es der Künstler Olivier Martin in seinenDoch das ist nur ein schwacher Trost für die Trivialität der Antwort, die der Autor auf seine Grundfrage findet: ein schlichtes Tu-was-du-willst. Und nachdem dem Leser längst klar ist, dass der Mann einfach keinen Bock auf den Job hatte und lieber etwas Originelleres gezeichnet hätte, kommt zu allem Überfluss am Ende noch ein Interview, das auch dem Dümmsten die Moral von der Geschicht‘ explizit aufdröselt. Das wäre auch eleganter gegangen. Schön für den Helden, dass er sein Glück findet. Der Leser bleibt leider unbefriedigt zurück.