Schwarz, weiß, roh

Jeff Lemire: Lost Dogs (2005)

Top Shelf

Jeff Lemire ist derzeit überall. In Superheldencomics. Im Graphic Novel-Segment. In eigenenen Serien wie Black Hammer. Beim Comic-Salon in Erlangen hat er jüngst seine eigene Werkschau bekommen. Kurz: Der kanadische Autor und Zeichner ist gerade ziemlich angesagt – und wie immer viel beschäftigt. In einer kleinen Reihe möchte ich zurückschauen auf einige seiner bisherigen Werke, denn Lemire gehört zu den interessantesten seiner Zeit.


24 Comicseiten in 24 Stunden. Die Herausforderung des Comic-Gurus Scott McCloud hat der junge Jeff Lemire angenommen. Einfach draufloszeichnen, ohne groß zu planen. Es wurden mehr als 24 Seiten. Fast 100. Aber das Ziel war keineswegs verfehlt: Am Ende hatte Lemire sein erstes Comic gezeichnet: Lost Dogs. Die erste Auflage war noch selbst verlegt, kaum einer wollte etwas davon wissen, aber es war der Anfang einer Karriere.

Lost Dogs ist rau, roh und ungeschliffen. Die Farben: schwarz, weiß und rot. Rot wie die Streifen des Hemds, das der Held trägt. Rot wie das Blut, das hier fließt. Die Story ist brutal und archaisch. Eine dreiköpfige Familie wird auf der Straße überfallen, die Frau wird vergewaltigt, die Tochter sinnlos umgebracht, der Mann – obwohl sehr groß und breit – wird zusammengeschlagen und ins Meer geworfen. Nachdem ihn eine Schiffsbesatzung aus dem Wasser fischt, wird er von einer zwielichtigen Gestalt dazu gebracht, bei gegen einen Champion beim Faustkampf anzutreten. Als Gegenleistung soll er erfahren, wo der namenlose Held seine Frau findet. Doch dann kommt einiges anders, als man denkt …

Obwohl der heutige Comic-Allrounder damals noch nicht ganz seinen Stil etabliert hatte, viel unruhiger, fast hektisch sind noch die Striche, wird doch schon deutlich, wohin die Entwicklung später gehen wird. Die Geschichte beginnt auf einer Farm – ein beliebtes Setting für Lemire, der selbst vom Land kommt. Der sanfte, wortkarge Riese, der in Rage versetzt zur Gewalt gezwungen wird – auch dieses Motiv sehen wir später in Werken wie Essex County und Roughneck.

In den beiden Vorworten, eins davon von Lemire selbst, ist die Rede davon, wie unausgereift und fehlerhaft Lost Dogs ist. Vielleicht waren es diese niedrig gesetzten Erwartungen, aber der Comic überzeugt durch seine Sprödnis und Schlichtheit. Es ist eine archaische Form für eine archaische Story, die irgendwann in der Vergangenheit spielt, aber völlig unbestimmt und daher zeitlos ist.

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