Jeff Lemire: The Underwater Welder (2012)
Ein Taucher im Dilemma: Jack Joseph liebt seinen Job als Unterwasser-Schweißer auf einer Ölplattform, offenbar ist er lieber da als bei seiner hochschwangeren Frau. Als ihm bei einem Unterwassereinsatz sein toter Vater erscheint, stirbt er fast selbst. Doch weil ihn die Vision nicht in Ruhe lässt, geht er dem Rätsel nach. Schon der Vater ist Taucher gewesen, an Land schaute er gerne zu tief ins Glas und eines Tages kam er im Meer um. Jack sucht in der Vergangenheit nach Hinweisen, er träumt von ihm und verliert sein Zeitgefühl. Gleichzeitig entfremdet er sich immer mehr von seiner Frau.
Schließlich bricht Jack erneut in die Tiefsee auf. Als er wieder auftaucht, hat er, was er immer wollte: er ist absolut allein, die Stadt ist menschenleer, nicht einmal Möwen sind noch zu sehen. Allerdings kommt er auch nicht mehr von dort weg. Dann bekommt er Gelegenheit, seine Kindheit aufzuarbeiten …
The Underwater Welder ist eine Mystery-Story, die nicht ihren Schauer aus Effekthascherei betreibt. Alles dient der Psychologie ihres Helden. Im Grunde geht es um Trauerbewältigung. Jack muss mit der Vergangenheit fertig werden, um für die Zukunft mit seiner Familie bereit zu sein. Es ist eine Parabel auf die Angst vor der Vaterschaft und dem Verlust der Unabhängigkeit. Jack ist kein Familienmensch, er meidet seine Mutter, er hängt an seinem Vater, der ihn einst hängengelassen hat. Zugleich wird Jack mitverantwortlich für den Tod des Vaters.
Jeff Lemire ist erneut eine zutiefst menschliche Story gelungen, in der die Charaktere glaubhaft als verletzliche Figuren erscheinen. Lemire inszeniert seine Geschichte in bildgewaltigen Schwarz-Weiß-Zeichnungen und spannenden Seitenarchitekturen, die den Blick auf Details wie Tropfen legen, Momente dehnen und sogar Zeit und Raum in Frage stellen. Leider hat der deutsche Verleger die visuelle Komponente völlig ignoriert und das Buch im Kleinformat nachgedruckt – eine verbreitete Unart und ein herber Verlust, auch was den Lesekomfort angeht.
>> Jeff Lemire: The Underwater Welder, Top Shelf 2012; dt. Der Unterwasser-Schweißer, Hinstorff 2017.
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