Jeff Lemire: Trillium (2013-2014)
Das Jahr 3797. Die Erde ist nicht mehr, die Menschen sind über das All verstreut, ein intelligenter Virus namens The Caul rafft sie dahin, nur noch wenige leben. Ein Mittel gegen die Seuche sind die weißen Trillium-Blumen. Die Wissenschaftlerin Nika versucht, Kontakt zu einer Alienspezies aufzubauen, um an die Blumen heranzukommen. Beim Erstkontakt wird bekommt sie eine Blüte zu essen und tritt in einen Tempel, der sie in den Amazonas des Jahres 1921 bringt. Sie trifft auf den britischen Schatzsucher William Pike. Der ehemalige Soldat hat einen Angriff von Ureinwohnern überlebt, als er den Tempel erreicht. Die beiden können sich zunächst nicht verständigen. Dann aber bringen sie dank Trillium ihre Geister zusammen. Später, nachdem der Tempel zerstört ist, kommt es zu einem mysteriösen Rollentausch: Nika wird zur Forscherin im Jahr 1921, wo sie für verrückt erklärt wird, während William in der Zukunft landet.
Mit Trillium entwickelt sich Jeff Lemire – nach Sweet Tooth – weiter in Richtung Science Fiction. Statt in vertrauter ländlicher Umgebung erschafft er diesmal eine eigene Welt im All: mit Aliens, Raumschiffen und Künstlicher Intelligenz. Und auch wenn diesmal eine Frau zur Heldin wird (gleichberechtigt mit dem Helden), bleibt er seinen Themen treu. Wieder geht es bei Lemire um Einsamkeit und ihre Überwindung: Nika wurde als Kind zuerst von ihrem Vater getrennt, dann hat sie ihre Mutter ans All verloren (vgl. Essex County und The Underwater Welder, wo ebenfalls Elternteile sterben, in Lost Dogs sind es Frau und Kind). Doch auch William ist traumatisiert, da er im Ersten Weltkrieg gekämpft hat, er lebt in einer unglücklichen Ehe und fühlt sich einsam. Er war nach dem Krieg in einer Anstalt, während Nika nach ihrer Zeitreise ebenfalls in eine eingewiesen wird.
Die Mini-Serie ist raffiniert gemacht: Die beiden parallelen Erzählstränge sind in unterschiedlichen Stilen koloriert, die erste Heftausgabe musste man sogar umdrehen, um den zweiten Strang lesen zu können. In der Paperback-Ausgabe geht der Effekt zwar verloren, trotzdem muss man auch hier das Heft mehrmals auf den Kopf stellen, weil die Leserichtungen wechseln, besonders im fünften Kapitel, wo sich beide Stränge über jeweils eine Seitenhälfte erstrecken, der zweite steht Kopf, am Ende muss man das Heft umdrehen, um die Geschichte von William zu lesen. Die Panelanordnung ist horizontal gespiegelt.
Die Handlung geht rasant voran und schlägt einige interessante Wendungen. Dabei bleiben die beiden Protagonisten leider hinter ihren Möglichkeiten zurück. Das Ganze will eine Romanze sein, aber – wie Nika es auch selbst sagt – es überzeugt nicht, wenn die zwei nur einige Stunden zusammen verbringen und sich am Anfang nicht einmal verständigen können. Trotzdem fühlt sich William ihr sehr stark verbunden und nicht mehr allein. Vielleicht liegt es an der Geistesverschmelzung – Trillium wird zum Allzweckmittel, auch gegen Einsamkeit. Aber für den Leser bleibt leider nicht viel Zeit, die Entwicklung nachzuvollziehen. Als Abenteuer ermöglicht Trillium dennoch eine spannende Erfahrung.
>> Jeff Lemire: Trillium, Vertigo 2013-2014. (Keine deutsche Ausgabe.)
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