Gipi: Die Welt der Söhne

Die Welt der Söhne

avant-verlag

Die Geschichte beginnt am Ende. „Mit den Ursachen und Gründen, die zum Ende führten, hätte man ganze Kapitel in den Geschichtsbüchern füllen können“, heißt es am Anfang. „Aber nach dem Ende wurde nicht mehr geschrieben. Kein einziges Buch mehr.“ Man weiß also nicht, was passiert ist, aber es kann nichts Gutes gewesen sein, denn die „Welt der Söhne“, die wir sehen, ist eine ziemlich trostlose.

Es gibt in der Sumpflandschaft nicht viel zu essen, jeder zweite Fisch ist giftig und im Wasser treiben Leichen. Zwei Brüder suchen nach etwas Brauchbarem. Einer tötet einen herumstreunenden Hund und sie bringen ihn zu ihrem Vater. Der will ihn bei seinem Nachbarn eintauschen, doch leider gehörte ihm der Hund – seine einzige Gesellschaft in der Einsamkeit.

Der Vater lässt seine Söhne im Unklaren über das, was gewesen ist. Er führt Tagebuch, aber sie können es nicht lesen. Nach seinem Tod ziehen die beiden los, um jemanden zu finden, der ihnen daraus vorliest. Aber dann geraten sie an zwei missgestaltete Zwillingen, die Sklaven an einen Sexkult von Männern verkaufen …

In „Die Welt der Söhne“ zieht Autor und Künstler Gipi alle Register der bekannten Postapokalypse-Motive: Grausamkeit, religiöse Fanatiker, Kannibalismus, Analphabetismus und ein geheimnisvolles Buch. Doch schafft er es, die Erzählung im Kern sehr menschlich zu gestalten. Auch wenn man über die beiden Brüder nicht viel mehr erfährt als über die Welt, in der sie leben, sind sie doch so lebensnah und glaubwürdig darstellt, dass man sich gern mit ihnen auf die Reise begibt, um ihre Hintergründe zu erfahren. Das Tagebuch wird für einen der Jungen zur Offenbarung: Er will nur wissen, ob sein Vater ihn geliebt hat. Und in einer gelungen Wendung wird es später sogar zu seiner Lebensversicherung.

Gipi erzählt eine triste Geschichte in einem tristen Schwarzweiß, mit dünnen, zittrigen Strichen, aus jedem Bild strotzt der Schmutz, aus den Figuren das Leben. Gesagt wird nicht viel. Am meisten Text steht auf den Seiten des Tagebuchs, die auf zehn (!) ganzen Comic-Seiten wiedergegeben werden – leider ist jedes Wort (wie für die beiden Brüder) unlesbar. Es ist eine Geschichte, die mehr von ihren Bildern lebt, als von den Worten und auch immer dann am stärksten ist, wenn der Künstler allein seinen starken visuellen Ausdruck sprechen lässt. Damit rechtfertigt „Die Welt der Söhne“ seine Form: In einer Welt ohne Schrift kann nur ein Comic bestehen.

Am Ende sind wir zwar auch nicht viel schlauer über die Hintergründe, aber trotzdem hat man den Eindruck: Es ist genug gesagt.

>> Gipi: Die Welt der Söhne, avant-verlag 2018.

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