Tillie Walden: On A Sunbeam

Es gibt nur zwei Arten von Weltraumgeschichten: Überlebensdramen wie Apollo 13 oder Gravity und Science Fiction, in denen die Menschen mittels hochentwickelter Technik zu anderen Planeten fliegen und sie erforschen, wie bei 2001. Und es gibt nur zwei Kategorien von Weltraum-Science-Fiction: Star Trek und Star Wars. Wobei Star Wars nur auf den ersten Blick so aussieht wie Science Fiction, denn in Wahrheit ist es eine Fantasy-Story im Weltall. Also gibt es nur Star Trek und artverwandte.

Jetzt gibt es auch eine dritte, irgendwo dazwischen und doch etwas ganz Eigenes. Tillie Walden hat mit On A Sunbeam eine Weltraumstory geschaffen, die sich weder um Forscher auf fernen Planeten geht, noch um Aliens noch um interplanetarische Kriege. Es ist ein nur von Frauen bevölkertes Weltall, in dem Häuser einfach so herumtreiben, ganz ohne Planeten und Atmospähren. Man braucht weder Raumanzüge noch anderen technischen Schnickschnack, die Raumschiffe sehen aus wie Zierfische – oder sie sind welche, so ganz genau weiß man das nicht.

Tillie Walden macht sich keine Mühe, hier zu erklären, wie es zu dieser Welt kam und wie sie funktioniert. Sie interessiert sich nur für ihre Charaktere: Es geht um Mia, eine junge Frau, die sich einer vierköpfigen Truppe von Frauen anschließt, die alte Häuser im All restaurieren. Zusammen begeben sie sich auf die Suche nach Grace, in die sich Mia einst im Internat verliebt hat und von der sie getrennt wurde. Die Reise führt sie in eine fremde Welt ans Ende des Universums.

Bis die Quest losgeht, vergehen erstmal über 300 der 530 Seiten mit Einführung der Charaktere und der Vorgeschichte. Die Suche ist also nachrrangig, eine Sache für den dramatischen Akt 4. Das Abenteuer liegt nicht in der wagemutigen Unternehmung, sondern im Alltag: Das Kennenlernen von Menschen, das Einfinden in die Gesellschaft, das Überwinden von Ängsten und Unsicherheiten. Am Ende geht es um etwas ganz einfaches: Einen verpassten Abschied nachzuholen. So wichtig das für Mia sein mag, so übertrieben und unglaubwürdig ist es, dass vier Frauen für so viel Sentimentalität einer Person, die sie kaum kennen, ihre Leben aufs Spiel setzen – und auch fast verlieren. Damit wird die Story dann doch zum Überlebensdrama im Weltall.

Tillie Walden inszeniert ihre Geschichte in einem sparsamen Zeichenstil, der an Mangas erinnert, und bedient sich einer zurückhaltenden Farbpalette. Die Figuren sind nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden. Auch wenn ihre Charaktere ähneln sich. Es sind meist starke Frauenfiguren, die kein Blatt vor den Mund nehmen, viel fluchen und alle ein gutes Herz haben. Sympathisch, aber leider auch austauschbar.

Dafür entfalten die Panels vor allem am Ende ein psychedelischen Reiz, der an die Jupitermission aus 2001 erinnert und zugleich traumhaft surreal wirkt. Statt Aliens sehen wir seltsame Wetterphänomene und weiße Füchse. So wird wiederum eine Art Fantasy im Weltraum draus. Nur dass man diese wundersame Welt auch am Ende nicht versteht, muss man wohl auch nicht. Der Reiz bleibt (wie bei 2001) im Rätselhaften. Und wie bei jeder guten Weltraum-Story sind Fantasy und Science-Fiction auch hier bloß Kulisse für Charakterentwicklung und zwischenmenschliches Drama. Auch wenn hier etwas zu dick aufgetragen wird.

>> Tillie Walden: On A Sunbeam, First Second 2018.

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