Steffen Kverneland: Ein Freitod

Avant-Verlag

Als die Söhne erwachsen sind, nimmt sich der Vater das Leben. Abgasvergiftung im Auto. Ohne ersichtlichen Grund. Aber als hätte er darauf gewartet, dass seine Söhne alt genug sind, um den Verlust zu verkraften. Wie konnte es dazu kommen? Dieser Frage geht der Sohn, Steffen Kverneland, in seinem Comic Ein Freitod nach.

Mit einer Kombination aus Zeichnungen und Familienfotos begibt sich der norwegische Künstler auf Spurensuche: Wo hat es Vorzeichen gegeben? Nach und nach ergibt sich ein Gesamtbild: Der Vater hatte eine lieblose Kindheit, ein schwieriges Verhältnis zu den Eltern, der Vater wollte ihn nicht studieren lassen, man sollte eine Arbeiterfamilie bleiben. Trotzdem wurde er Ingenieur und hatte sogar Erfolg als Erfinder. Immer wieder plagten ihn Depressionen, nahm Medikamente und begab sich in eine Klinik. Die Kinder bekamen davon nicht viel mit, außer dass er heimlich trank.

Kverneland zeichnet ein widersprüchliches Bild seines Vaters: Einerseits ein Verehrer afroamerikanischer Künstler, von Duke Ellington bis Sidney Poitier, andererseits um keinen rassistischen oder homophoben Spruch verlegen. Ein Mann der Extreme, der Menschen entweder fantastisch fand oder sie verachtete – und von sich stets viel abverlangte.

Der Autor tastet sich auch über seine persönliche Beziehung zu seinem Vater an diesen komplexen Charakter heran. Er legt offen, inwiefern der Vater ihn – etwa in seiner Sprache – bis heute prägt. Das ist auch eine sehr persönliche Selbst- und Familienanalyse, aber bleibt formal eher konventionell und zum Teil auch unstimmig. Zwar sind seine gemalten Panels eindrucksvoll düster, gerade wenn Kverneland Schauplätze des Geschehens zeigt, aber seine teilweise cartoonhaft gezeichneten Charaktere brechen mit dem visuellen Stil genauso wie die vielen Foto-Einschübe.

Inhaltlich erinnert Ein Freitod sehr an Alison Bechdels Fun Home, in der die Autorin ebenfalls zu rekonstruieren versucht, warum (oder ob) sich ihr Vater das Leben genommen hat, aber es reicht an Komplexität und Erzählkunst bei weitem nicht an Bechdels modernen Klassiker heran.

>> Steffen Kverneland: Ein Freitod, avant-verlag 2019.

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