Alle loben den Comic Hier von Richard McGuire. Warum eigentlich? Wegen seinenes experimentellen Spiels mit Zeit und Raum. Aber das Werk zeigt, dass eine gute Idee allein nicht ausreicht, um ein ganzes Buch zu tragen.
Zwei Mal war Richard McGuire für die diesjährigen Eisner Awards nomiert. Sein Werk Here (dt. Hier) hat bei der Kritik viel Aufmerksamkeit erregt, schnell hatte sich mit Dumont auch ein deutscher Verlag gefunden. Glücklicherweise gab es dabei nicht viel zu übersetzen. Denn Hier ist zwar ein Comic, aber eines, das weitgehend ohne Worte auskommt. Und auch ohne Handlung. Dennoch erzählt es eine Art Geschichte. Die Geschichte eines kleinen Raumes über Jahrmillionen hinweg. Immer dieselbe Perspektive auf 300 Seiten: ein Wohnzimmer an der Ostküste der USA. Fast jede Doppelseite eine Splash Page. Oben links in den Panels die Jahreszahlen. Allerdings ist das mit der Zeit etwas komplizierter – und das nicht nur, weil keine Chronologie eingehalten wird.
Normalerweise ist es so: Comics erzählen Geschichten in Sequenzen von Bildern. Jedes Bild steht für einen Zeitpunkt – oder auch eine Spanne. Doch McGuire verschränkt verschiedene Zeitebenen in einem Raum, indem er Panels in Panels steckt und jedes in einem anderen Jahr spielen lässt. Wir sehen prähistorische Landschaften auf einer Doppelseite, in kleineren Panels tummeln sich Menschen (manchmal auch Tiere) verschiedener Epochen. Der Raum bleibt gleich; derselbe bleibt er nicht: mal ist da ein Wohnzimmer mit Kamin, mal Wald, mal Wiese, mal Wasser. McGuire würfelt die Zeit durcheinander. Die Geschichte beginnt und endet im Jahr 2014, springt in die Urzeit der Erde und in die Zukunft, die meisten Panels sind dem ereignisreichen 20. Jahrhundert gewidmet, aber wir sehen auch indigene Ureinwohner beim Liebesspiel, niederländische Entdecker, Benjamin Franklin und Amerikaner des 19. Jahrhunderts beim Zeitvertreib, schließlich sogar den Bau des Hauses, in dem das Meiste passiert.