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Heldenblüte #4: Reinkarnationen

20th Century Fox

X-Men: Alt und neu (20th Century Fox)

Superman, Spider-Man, X-Men, Fantastic Four – die vierte Strömung des Superheldenkinos gehört den Reboots.

Was tut man, wenn eine Geschichte zu Ende erzählt wurde? Man fängt wieder von vorn an. Elf Jahre nach dem ambitionierten Start von X-Men war man soweit. Zu der Trilogie gab es zunächst ein uninspiriertes Prequel zu Wolverine, schließlich erzählte man auch die Vorgeschichte der Hassliebe zwischen den Antipoden Charles Xavier (Professor X) und Eric Landsherr (Magneto). X-Men: Erste Entscheidung (2011, First Class) war ein frischer Neubeginn: kurzweilig, unterhaltsam und mit einer guten Portion 60er-Zeitgeist. Ein vernachlässigter Charakter wie Raven kam endlich zu ihrem Recht, aber wie schon zuvor war die spannungsreiche Freundschaft zwischen Charles und Eric der rote Faden, der die Story zusammenhielt: der impulsive Rächer an den Nazis gegen den besonnenen Denker und Versöhner. Mit der Fortsetzung, Zukunft ist Vergangenheit (2014, Days of Future Past) kehrte Regisseur Bryan Singer zurück und verschränkte die Zeitebenen der ersten Trilogie mit der Prequel-Reihe, als Bindeglied diente Wolverine, der in seinem Körper der 70er Jahre Schlimmeres verhindern musste. Damit fand die X-Men-Reihe zu ihrer alten Stärke und Brisanz zurück.

Auch Spider-Man bekam ein Reboot – und zwar kein weiches wie die X-Men, sondern einen totalen Neustart. Gerade einmal zehn Jahre nachdem Sam Raimi mit dem ersten Spider-Man-Film Pionierarbeit geleistet hat, wurde mit The Amazing Spider-Man (2012) die Entstehungsgeeschichte wieder erzählt. Die Tatsache, dass die erste Trilogie noch nicht lange her und noch in guter Erinnerung war, sorgte für einen Déjà-vu-Effekt, der die Existenzberechtigung des Films infrage stellte. Zu vieles hatte man fast genauso schon einmal gesehen. Es werden bloß zwei neue Akzente gesetzt: Peters Liebesleben beginnt – wie in den Comics – mit Gwen Stacy und erstmals spielt auch der Tod von Peters Eltern eine Rolle. Doch die Aufdeckung des dahinter stehenden Mysteriums, das die Rahmenhandlung für eine neue Filmreihe bilden sollte, hat sich erübrigt: Nach einem schwachen, geradezu lächerlichen zweiten Teil (Rise of Electro) wurde der Amazing Spider-Man seinem Namen nicht gerecht und damit eingestellt. Erst in diesem Jahr hat Rechteinhaber Sony zugestimmt, dass der beliebteste Marvel-Held in das Cinematic Universe integriert werden soll. Mit neuer Besetzung wird Spider-Man bereits in Captain America: Civil War vorkommen, danach soll ein Solo-Film folgen. Doch auch wenn Marvel aus den Fehlern gelernt hat und keinen Origin mehr erzählen will, wird die Geschichte wieder im High School-Milieu spielen, Peter wird wieder ein Teenager sein. Es wird nicht leicht sein, dieses verfahrene Franchise wieder auf Kurs zu bringen.

Im gleichen Jahr wie The Amazing Spider-Man versuchte sich auch Warner erneut an der Galionsfigur von DC Comics: Superman. Eine ohnehin schwierige Figur, weil sich schon längst die Frage stellt, ob ein perfekter, unverwundbarer Alleskönner in Primärfarben-Pyjamas noch zeitgemäß ist. Die TV-Serie Smallville bewies, dass es möglich war, wenigstens die Jugend des Helden über zehn Staffeln zu erzählen. Im Jahr 2006 passierte aber etwas sehr Befremdliches: Bryan Singer verließ die X-Men, um einen Superman-Film zu drehen, der an Superman II mit Christopher Reeve anschloss – also die Fortsetzung eines 26 Jahre alten Films, der bereits zwei schlechte Fortsetzungen hatte. Statt also von den Errungenschaften von Batman Begins zu lernen, versuchte Singer sich mit Superman Returns in Nostalgie. Er scheiterte total. Die Geschichte von Supermans Sohn mit Lois Lane war die weichgespülte Familienvariante des Mannes aus Stahl. Der Film war so lahm, dass man ihm keine Fortsetzung gönnte (obwohl die Kritiken in den USA überwiegend positiv waren und zunächst ein Sequel angekündigt war). Man hatte eingesehen, dass dieser Ansatz nicht funktionierte.

Sechs Jahre später kam also das radikale Reboot Man of Steel von Zack Snyder. Der Mann, der sich an den Watchmen versucht hatte, fing mit Superman noch einmal von vorn an – unter dem Einfluss von Christopher Nolan. Doch was sich nach einem Qualitätsgaranten anhört, wurde zum Problem: Man of Steel orientiert sich in Stil und Aufbau zu sehr an Batman Begins und The Dark Knight, sodass wir statt satter Primärfarben einen dunkelgrauen Superman sehen, der in einen grauen Himmel fliegt. Das entspricht der übrigen Stimmung des Films. Zu lachen gibt es so gut wie nichts. Zu düster ist die Geschichte, aber sie lässt einen emotional unbeeindruckt. Größter Tiefpunkt ist die überzogene Zerstörungsorgie im Finale, bei der halb Metropolis zerlegt wird. So viel fehlendes Verantwortungsbewusstsein ist nicht gerade, was man sich von einem erhabenen Helden wie Superman verspricht. Der Film pulverisiert sich selbst und lässt nichts zurück als Trümmer.

Aber wenn man sich den Trailer zum Sequel, Batman v Superman, ansieht, stellt man fest, dass eine gealterte Version von Bruce Wayne das auch so sieht und deshalb wieder ins längst abgelegte Batman-Kostüm (oder eher in eine Rüstung) steigt, um den selbstherrlichen Kryptonier auszuschalten. Die Nähe zu den Comics (allen voran The Dark Knight Returns) ist offensichtlich, auch die Kritik am Farbkonzept scheint Regisseur Snyder berücksichtigt zu haben. Alle Hoffnung – auch von Warner – ruht auf diesem Film. Denn er muss das Unmögliche leisten: Nicht nur einen glaubhaften Kampf der Titanen inszenieren, sondern auch den zwiespältig aufgenommenen Man of Steel wiedergutmachen und Batman neu einführen. Zugleich soll der Film auch der Beginn der Justice League sein. Wonder Woman wird darin eine Schlüsselrolle bekommen, auch Aquaman und Cyborg sollen darin Auftritte haben. Damit will Warner für das DC-Universum nachholen, was Marvel mit seinem Cinematic Universe seit bereits 2008 aufbaut. Weitere Einzelfilme sollen folgen, von Flash bis Shazam. Auch Green Lantern wird ein Reboot zuteil, nachdem der erste Versuch von 2011 ein belangloses Ergebnis hervorbrachte, von dem man nach dem Sehen nur noch sagen kann, dass es sehr grün zuging. (Ryan Reynolds wird dafür zu Deadpool, ebenfalls ein Figuren-Reboot.) Im kommenden Jahr wird in dem Schurkenfilm Suicide Squad auch ein neuer Joker (Jared Leto) eingeführt – er tritt in große Fußstapfen, die Heath Ledger hinterlassen hat.

Zuletzt bekam auch Marvels Fantastic Four (2015) einen Reboot – zehn Jahre nach dem jüngsten. Der war bitter nötig, wenn man bedenkt, dass einst mit dem Superheldenteam Marvels Silver Age begann und schon zwei schwache Verfilmungen gescheitert waren, dem Stoff gerecht zu werden (ganz zu schweigen von dem Billigfilm von 1994, der zwar gedreht, aber nie veröffentlicht wurde). Nach diesen Fehlschlägen konnte es nur noch besser werden. Und es sah zunächst so vielversprechend aus: Eine talentierte, junge Besetzung, einen neuen Ansatz und Regisseur Josh Trank, der zuvor mit Chronicle einen beachtlichen Film über alternative Superhelden ohne Kostüme gedreht hatte. Doch das Ergebnis war eine Katastrophe, für die sich hinterher alle Beteiligten schämten und das Publikum fassungslos zurückließ, fassungslos gelangweilt und verärgert. Mit gerade einmal zehn Prozent positiver Besprechungen bei Rotten Tomatoes und einer IMDb-Wertung von 4,3 unterbot das Reboot sogar noch seine mäßigen Vorgänger. Wer auch immer an dem Desaster Schuld hat: Das Franchise ist für lange Zeit ruiniert.

Der Reiz des Reboots, des Neuanfangs, besteht im Reiz des Anfangs. Oftmals sind es die Entstehungsgeschichten, die sogenannten Origins der Helden, die im kulturellen Gedächtnis hängenbleiben: Der Elternmord bei Batman, der Spinnenbiss bei Spider-Man, die Zerstörung Kryptons bei Superman. Unfälle, Katastrophen und Traumata bestimmen den Gründungsmythos – und davon zehren die Figuren. Die Menschen erkennen sie darin nicht nur wieder, sondern identifizieren sich auch immer wieder neu mit ihnen. Doch Superheldenstoffe sind seriell angelegt, sie gehen immer weiter. Das stellt die Autoren und Regisseure vor das Problem, dass sie sich immer weiter von der Urszene, die die Helden als Charaktere interessant macht, entfernen. Daher müssen sie immer wieder an den Ursprung erinnern – oder ihn einfach neu erzählen. Der Neubeginn ist verführerisch, doch die Beispiele der vergangenen Jahre zeigen, dass es keinen Erfolgsgaranten gibt, wenn man dieser Versuchung nachgibt.

Die Zyklen der Wiederverwertung werden kürzer. Aber die Erinnerung der Zuschauer wird es nicht. Daher wird es nicht reichen, ihnen immer wieder dasselbe vorzusetzen und sich nur nach der Logik „mehr ist besser“ zu steigern. Noch ist die Nachfrage des Publikums nach Superheldenfilmen ungebrochen. Nach wie vor haben Marvels Filme großen Erfolg, allein die beiden Avengers-Teile haben jeweils über eine Milliarde Dollar weltweit eingespielt. Allerdings besteht die Gefahr, dass bei der Flut an Superheldenfilmen das Interesse an dem Genre bald wieder abflauen könnte. Allein für 2016 sind sieben Filme über Marvel- und DC-Charaktere angekündigt: Batman v Superman, Suicide Squad, X-Men: Apocalypse, Deadpool, Gambit, Captain America: Civil War und Doctor Strange. Nicht einmal alle zwei Monate ein neuer Film. Zudem werden die Geschichten komplexer: Marvels Cinematic Universe ist jetzt schon für Quereinsteiger schwer nachzuvollziehen. Das Publikum wird immer stärker gefordert. Interessant, so etwas ausgerechnet über ein Genre zu sagen, das dem ersten Anschein nach leichte Unterhaltung sein soll. Solange die Macher nicht hinter die Erkenntnis zurückfallen, welches Potenzial in ihren Geschichten steckt, kann man sich noch viele weitere Leinwandspektakel freuen. Die Blüte der Superhelden im Kino scheint noch lange nicht vorbei zu sein.

Heldenblüte #2: Antihelden

Watchmen: Wir sind keine Helden.

Watchmen: Wir sind keine Helden. (Warner Bros.)

Die Kinogeschichte hat in den vergangenen 15 Jahren gezeigt, dass Helden nicht immer super sein müssen. Mit der neuen Qualität, die das Genre erreicht hat, übt es sich nicht nur in Selbstironie, sondern auch in Selbstkritik. Nachdem Marvel den Anfang gemacht hatte, legte DC mit Batman und Watchmen nach.

Der erste Kinobatman (in den 40er Jahren) war lieblos und billig, der zweite (in den 60er Jahren) bunt und schrill, aber auch albern und selbstironisch. Der dritte (von Tim Burton) war ein Fortschritt in Richtung Düsterkeit, aber immer noch comichaft überzeichnet. Mit den beiden Joel Schumacher-Filmen, Batman Forever und Batman & Robin, wurden alle Errungenschaften wieder über den Haufen geworfen und man fiel zum tumben Trash zurück. Aus dieser kreativen Sackgasse heraus half nur ein Neustart bei Null. Die von Marvel ausgelöste Renaissance der Superheldenfilme hatte vorgemacht, wie man Comics zeitgemäß adaptiert: indem man sie so ernst nimmt wie das Publikum. Nun musste Konkurrent DC Comics nachlegen.

Regisseur Christopher Nolan, der mit Memento Filmgeschichte geschrieben hatte, ging seinen Batman Begins (2005) ganz anders an: Er versuchte, seine Hauptfigur in die Realität zu holen – und zwar so glaubwürdig wie möglich. Das beginnt schon lange bevor man spitze Ohren und Gummimaske sieht. Nolan lässt sich zunächst viel Zeit dabei, Bruce Waynes Motive für seine Wandlung zu erklären. Zentrales Motiv ist die Angst. Wayne kämpft seit dem Sturz in die Höhle mit seinen Dämonen; er gibt sich die Schuld am Mord seiner Eltern. Folgerichtig ist Scarecrow der eine Schurke. Der andere ist Ra’s Al Ghul, der ihn lehrt, mit der Angst umzugehen. Es ist ein Geniestreich der Erzählökonomie, ihn zu Waynes Mentor zu machen, auch wenn das nicht den Comics entspricht. Schließlich bildet er auch in ethischer Hinsicht den perfekten Widersacher.

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Heldenblüte #1: Renaissance

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Vor 15 Jahren begann eine Renaissance: Die Superhelden fanden ins Kino zurück – in einer nie dagewesenen Qualität. Was mit X-Men begann, setzte sich mit einer Fülle von Genrefilmen fort und findet heute mit den Avengers einen neuen Höhepunkt. Ein Rückblick auf die vergangenen 15 Jahre.

Polen 1944. Nazis treiben Juden in ein Konzentrationslager. Ein jüdischer Junge wird von seinen Eltern getrennt, sie kommen ins KZ, er mit dem Leben davon. Das Eisentor wird geschlossen, der Junge bleibt zurück und schreit. Wachen halten ihn nur mit Mühe zurück. Die Verzweiflung des Jungen ist so groß, dass sie das Tor verbiegt. Erst ein Schlag mit einem Gewehrkolben bringt ihn zum Schweigen. So beginnt nicht etwa ein Holocaust-Film, sondern der Film X-Men aus dem Jahr 2000. Eine Comic-Adaption über Superhelden. Und diese Szene markiert eine Wende. Sie zeigt: jetzt ist Schluss mit lustig.

Drei Jahre zuvor: In den Kinos läuft Batman & Robin. Nach den beiden Tim Burton-Filmen und dem überdrehten Batman Forever (1995) ist mit dem vierten Teil der Reihe ein Tiefpunkt erreicht, der dagegen noch den albernen und selbstironischen Adam West-Film von 1966 wie einen schicken Oldtimer erscheinen lässt. Der Superhelden-Film, der erst nennenswert mit Superman im Jahr 1978 begonnen hat, scheint am Ende zu sein. Ebenso wie die Superman-Reihe ist auch die Batman-Reihe nach zwei passablen Filmen mit zwei weiteren Fortsetzungen so nachgelassen, dass das Franchise erledigt war. Superhelden waren der Lächerlichkeit preisgegeben. Offenbar traute man ihnen im Kino nicht mehr zu.

Marvel wagt den Neubeginn

Dank der neuen Computer-Technik bekommt das Genre neuen Auftrieb: Den Möglichkeiten sind nur die Grenzen der Fantasie gesetzt. Auf den Trümmern der DC-Filmhelden beginnt Marvel von vorn. Zunächst mit dem Underdog Blade (1998) über einen Vampir als Vampirjäger. Trotz des Trashfaktors ein Gegenprogramm zu Batman & Robin, Erwachsenenunterhaltung – allein schon der Brutalität wegen. Seine unmittelbaren stilistischen Vorläufer findet er in The Crow (1994) und dem missratenen Spawn (1997). Der Superhelden-Film wird aber erst mit X-Men wieder massentauglich. Nicht nur neu belebt, er wird auch ernst, weil er sein Thema und seine Figuren ernst nimmt. X-Men ist eine Parabel auf den Rassismus. Von daher ist es folgerichtig, dass der Bogen vom Holocaust bis in die nicht allzu weit entfernte Zukunft gespannt wird, wenn wieder einmal die Gene die Menschheit spalten. Das Tragische: Mit Magneto wird ein Opfer des Rassismus selbst zum Rassisten. Und während sein Gegenspieler Charles Xavier eine friedliche Koexistenz zwischen Menschen und Mutanten möchte, will Magneto alle zu Mutanten machen, weil sie für ihn die besseren Menschen sind.

Was diesen moralisch schweren Brocken verdaulich macht, ist das Personal: Im Zentrum steht die Freundschaft zwischen Eric Lehnsherr (Magneto, Ian McKellen) und Charles Xavier (Professor X, Patrick Stewart), die sich selbst nach einem Kampf um Leben und Tod zu einer Schachpartie begegnen können. In dieser Beziehung wird deutlich, dass die Grenzen zwischen gut und böse verwischt sind. In dieser Dialektik entfaltet sich das Drama, in dem die jungen Mutantenschüler hin- und hergerissen sind. Den emotionalen Angelpunkt bildet die Figur Wolverine. Er bezieht seinen Reiz daraus, dass er abseits von den Hauptschauplätzen seinen Weg sucht. An den geheimnisvollen Draufgänger, ikonisch verkörpert von Hugh Jackman, kommt kein Charakter heran. Er ist der coolste Typ, der Outlaw und zugleich der comic relief.

Prägendes Original

X-Men bahnte den Weg für die andere Superhelden-Filme. Der Film zeigte, dass es möglich war, Comics glaubwürdig zu adaptieren ohne lächerlich zu wirken, frei nach dem Motto: Mehr schwarzes Leder als gelbes Latex. Es folgte eine Flut von Superhelden im Kino, die bis heute anhält. In den vergangenen 15 Jahren sind mehr Superhelden-Filme erschienen als im gesamten 20. Jahrhundert. Darunter sind auch solche, an die man vielleicht nicht direkt denkt. Zum Beispiel Unbreakable, der im gleichen Jahr wie X-Men erschien und ebenfalls, wenn auch auf eine subtile Art prägend oder zumindest vorausschauend, die weitere Entwicklung des Genres bestimmte.

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Bemerkenswert ist, dass Unbreakable ein Drehbuch ohne Comicvorlage ist, aber durchaus explizit Bezug nimmt auf Comics. Doch während die Zeichnungen als „Kunst“ behandelt und sehr ernst genommen werden, bleibt der Film stilistisch auffällig unauffällig: Ruhig, ohne Aufregung, ohne viel Action inszeniert M. Night Shyamalan (Sixth Sense) eine packende Story um einen Helden wider Willen. Die Referenz auf Comics bleibt auf die wesentlichen Motive reduziert: Der Held mit übermenschlicher Stärke, der körperlich versehrte Schurke, der seinen Gegenpart sucht. Entgegen der Tradition wird auf einen Origin des Helden verzichtet. Damit bleibt der Ursprung der Superkräfte rätselhaft.

Helden wie du und ich

Unbreakable zeigt, dass der moderne Held keine Vorgeschichte, kein Kostüm und keine Symbole braucht. Mit Heroes (2006-2010), einer Art Teenie-Variante der X-Men, wurde diese Vorstellung wieder aufgegriffen. Damit hielten die Helden nicht nur noch stärker in den Alltag einzug, sondern auch ins Fernsehen, und das Prinzip der (potenziell unendlichen) Serie wurde wiederbelebt. Die Filme Hancock (2008) Chronicle (2012) setzten diesen Trend der Helden als „Menschen wie du und ich“ fort.

Doch das bedeutet nicht das Ende der Pop-Ikonen. Der nächste große Wurf aus dem Hause Marvel war Spider-Man im Jahr 2002. So ernst X-Men erschienen war, so kehrte mit Spider-Man die Leichtigkeit ein. Der Film ist eine Action-Komödie über die Adoleszenz – durchaus mit Slapstick-Einlagen, Kalauern und Trash-Elementen. Und doch geht die Rechnung auf. Dank Selbstironie funktioniert die Geschichte, dank Computer-Technik überzeugen die Bilder, wenn der animierte Held Wände hochklettert oder sich durch die Skyline New Yorks schwingt. Aus der radioaktiv verseuchten Spinne wird – ganz zeitgemäß – eine genmanipulierte. Am unterhaltsamsten ist der Film, wenn man Peter Parker bei seiner Entwicklung zusehen darf: Vom Loser zum (Alltags-)Helden. Man kann über die weiteren beiden Teile, vor allem den dritten, sagen was man will: In seinen Stärken bleibt sich die Spider-Man-Reihe bis zum Schluss treu.

Zwischen Coolness und Kunst

Regisseur Sam Raimi hatte bereits 1990 mit Darkman einen erwachsenen Superhelden-Film inszeniert. Auch wenn er heute albern wirkt, wirkt er verglichen mit Tim Burtons Batman für seine Zeit modern. Liam Neeson spielt darin einen entstellten Wissenschafter mit übermenschlichen Kräften, der mit Hut und bandagiertem Gesicht den Rächer spielt und für seine Liebste für ein paar Stunden sein altes Gesicht wiederherstellt. Im Rückblick ist Spider-Man besser gealtert. Nicht bloß der Effekte wegen, sondern auch in erzählerischer Qualität. Der Vergleich zwischen den zwei Filmen zeigt, welcher Evolutionssprung sich in einem Jahrzehnt vollzogen hat.

Doch trotz des starken Anfangs mit drei maßgeblichen Filmen kamen bereits im Jahr 2003 zwei Rückschläge für das junge Genre: Daredevil und Hulk. Beide Filme wollen mehr sein, als sie bieten können. Daredevil will Coolness, Hulk will Kunst. Beides funktioniert nicht. Mit Daredevil präsentiert Marvel seine Batman-Version, einerseits düster, andererseits überzeichnet und dämlich (z.B. den Kampf mit Elektra und der Auftritt von Bullseye). Trotz guter Ansätze bietet der Film keine neuen Ansätze und verspielt somit sein Potenzial, das in der Hauptfigur steckt.

Verheizte Helden

Hulk hingegen strotzt vor Ambition. Marvel hat dafür Ang Lee (Brokeback Mountain!) als Regisseur verpflichtet. Aber das erwies sich als Fehlentscheidung. Lee hat aus der Comic-Adaption einen Comic-Film gemacht: mit unmotivierten Split-Screen-Einlagen und schwachsinnigen Bildübergängen. Darin eingebettet ist eine Story, die zwar auf Charaktere setzt, aber nicht fesselt. Die Actionszenen kränkeln an unausgereifter CGI-Technik und dem Fehlen würdiger Gegner. Stattdessen muss der schlecht animierte Hulk gegen Monsterhunde und Panzer kämpfen. Öde.

Und auch sonst schien dem Genre trotz der aufkommenden Flut an Filmen schnell die Luft ausgegangen zu sein: Fantastic Four, The Punisher, Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen und Catwoman sind nur einige Beispiele für verheizte Superhelden in uninspirierten Filmen. Doch es kam Rettung – und zwar aus der Ecke der Anti-Helden …

Fortsetzung folgt.

Frankfurter Fragmente #9: Leaks

Foto: Lukas Gedziorowski

Foto: Lukas Gedziorowski

Vor der Schirn Kunsthalle in Frankfurt hat der US-amerikanische Künstler Doug Aitken eine Installation aufgebaut. Unten ist ein großes kreisförmiges Becken inmitten eines Haufens von Steinen, Schutt und Sand. Darüber schwebt eine quadratische Vorrichtung aus Rohren und Düsen. Daraus kommt Wasser: mal tropft es, mal schüttet es. Der Schall wird von Mikrofonen im Becken in Lautsprecher übertragen, sodass Echo-Effekte entstehen. Wie das bei Kunst so ist, kann man sich viel dabei denken. Für mich ist die Installation eine Allegorie auf ein Phänomen der Informationskultur. Das Phänomen der Leaks. Ständig tröpfeln Daten unterschiedlicher Quellen in das große, unersättliche Sammelbecken des Internets, mal mehr, mal weniger, aber konstant füllt es sich, ohne je überzuschwappen, und auf jeden Aufprall folgt ein gesteigertes Echo.

Informationen sind längst nichts Besonderes mehr. Leaks ragten zunächst aus der Masse raus, schienen an die Stelle der Scoops zu treten. Bevor sich traditionelle Medien auf Storys stürzten, war alles schon im Netz zu lesen. Als Wikileaks Geheimdokumente enthüllte, wurde das als die Freiheit der Internetguerillas gefeiert. (Dann kam Edward Snowden und er zeigte uns, dass unsere Rechner nicht bloß lecken, sondern ständig abgeschöpft werden – die dunkle Kehrseite des Internets.) Nichts ist mehr sicher vor dem Zugriff der Hacker, Hacktivisten und Whistleblower. Aber Leaks sind mittlerweile an der Tagesordnung, vor allem als kulturelles Phänomen inflationär. Leaks sind Ausdruck der Informationsgier und der Ungeduldigen. Wir wollen alles sofort haben, und immer schneller. Nachdem die ersten vier Folgen der fünften Staffel von Game of Thrones im Netz waren bevor sie auf HBO ausgestrahlt wurden, schrieb David Denk für die Süddeutsche: „Das Unbezahlbare am Leak ist, dass er das betroffene Kunstwerk mit der Aura des Begehrten auflädt, und zwar ganz egal, wie gelungen oder vergeigt es tatsächlich ist. Immerhin hat sich jemand die Mühe gemacht, es zu stehlen.“ Aber der Autor übersieht, dass Game of Thrones, genauso wie Superhelden-Blockbuster, diese Aufladung nicht nötig haben. Sie werden geleakt, weil sie bereits begehrt werden.

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Retter der Kinokassen

Guardians of the Galaxy

Mit Guardians of the Galaxy beschließt Marvel das Superhelden-Kino-Jahr furios. Die Zukunftspläne machen Lust auf mehr – doch zusammen mit den Filmen von DC könnte die gut laufende Geldmaschine der Superheldenfilme ins Stocken geraten. Ein Ausblick auf die nächsten Jahre.

Ein trotteliger Möchtegern-Outlaw, eine grüne Kampf-Amazone, ein Baum-Mensch und ein sprechender Waschbär – das klingt so bescheuert, dass es nur schief gehen kann. Und doch klappt es ganz wunderbar in Guardians of the Galaxy, Marvels neuestem Streich. Vor allem wegen der Selbstironie des Films, der zwar für eine Reihe von Lachern (Sprüche und Situationskomik) gut ist, aber sich immer noch ernst genug nimmt, dass die Figuren nicht der Lächerlichkeit anheim fallen.

Held des Films ist Peter Quill alias „Star Lord“, der in den 80ern als Kind von Aliens entführt wurde und seitdem als Auftragspirat durchs Universum zieht. Als Erinnerung an die Erde dient ihm sein Walkman, mit dem er seit Jahren den Sampler hört, den ihm seine kranke Mutter zusammengestellt hat, bevor sie starb. Diese Musik ist der zweite Pfeiler, der den Film trägt: Pop der 70er Jahre wie The Jackson 5 und 10cc sorgen immer wieder für ironische Brechungen und verleihen dem Film einen bodenständigen Charme. Besonders zum Tragen kommt „Moonage Daydream“, wenn David Bowie aus dem Off zu einem Weltraumflug von Space Invaders singt. Im Grunde war diese Verwendung des Songs längst überfällig, denn Bowies Ziggy Stardust-Album wurde dafür geschaffen, der Soundtrack zu einer Weltraum-Saga zu sein.

Der Rest ist Weltraum-Effekte-Spektakel vom Feinsten: Eine bunte Effektschlacht (mit wieder einmal mäßigem 3D-Effekt), bei der es um nichts Geringeres als das Wohl des Universums geht. Gute Typen gegen tiefböse Fieslinge. Doch eigentlich sind die Guardians keine Superhelden. Vielmehr funktioniert der Film nach bewährter Science-Fiction-Manier in der Tradition von Star Wars, nur mit Han Solo-Schwerpunkt. Allerdings hat George Lucas nie so pfiffige Dialoge geschrieben – und war schon gar nicht für solche überraschende Wendungen gut. Insofern heben die Guardians die altbackene Science-Fiction-Saga in neue Sphären. Dafür gab’s Applaus im Kino-Saal.

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Zu Ehren der Fledermaus

Die Liste der Woche: 75 Jahre Batman

Batman: The Animated Series

Im Jahr 1939 erschien Detective Comics #27, das Heft mit der ersten Batman-Story. Seitdem wurden nicht nur unzählige Geschichten um den Dunklen Ritter in Comics und Filmen erzählt, längst ist aus dem Pulp Fiction-Helden eine Ikone der Popkultur geworden. In einem Essay auf Faust Kultur stellt unser Autor Lukas Gedziorowski dar, wie es Batman so weit bringen konnte. Darauf werden in den nächsten Tagen zwei Antworten anderer Autoren auf Fragmenteum folgen.

Zudem sei auf das Batman-Projekt hingewiesen: In dem neuen Blog wird jede Woche mindestens eine neue Batman-Story vorgestellt, meistens aus Comics, manchmal auch aus Filmen oder Serien. Die Seite will einen Überblick über die Fülle an Geschichten schaffen, Klassiker neu besprechen und auch auf weniger Bekanntes verweisen.

Schließlich haben wir zum Jubiläum einen Spotify-Sampler mit Batman-Stücken zusammengestellt. Viel Spaß beim Hören!