Dave Gibbons

Mark Millar: The Secret Service – Kingsman

Wenn Menschen eine Verfilmung gesehen haben, heißt es meistens: Das Buch war viel besser. Aber das ist nicht immer so. Manchmal liefern Bücher nur eine Vorlage für ein ganz neues Werk eigenen Rechts. Und manchmal dienen sie nur als Inspirationsquelle für Filme, die sie an Qualität sogar übertreffen.

So ist es auch bei The Secret Service von Mark Millar und Dave Gibbons, das als Kingsman adaptiert wurde. Ein Nichtsnutz aus der englischen Unterschicht wird zum Super-Geheimagenten und rettet die Welt. Das ist kurzgefasst die Story. Wenn man die beiden Werke vergleicht, sieht man so große Unterschiede, dass Comic und Film völlig eigenständig sind. Und das ist bemerkenswert. Schon Wanted wurde so verfilmt, dass der Comic lediglich als Inspirationsquelle gelten konnte, aber im Grunde hatte der Film nichts mit der Vorlage zu tun. Hier aber nimmt sich der Film die Grundidee und baut sie sogar zu einem viel stimmigeren Werk aus, das zum einen viel überdrehter – also comicmäßiger -, zum anderen aber auch glaubhafter als das Original ist.

Dabei beginnt der Comic zunächst stärker. Hier ist es Mark Hammil (Luke Skywalker) persönlich, der von den Bösen entführt werden soll. Seine Entführer fragen ihn nach seiner Meinung zu den Star Wars-Prequels, er wird gerettet, aber die Rettung scheitert kläglich – eine wunderbare Sequenz voller schrägem Humor. Im Film kommt zwar Mark Hamill vor, aber nicht als er selbst: Er spielt nur einen Wissenschaftler. Das ergibt für den Plot mehr Sinn, aber leider fehlt auch der tolle Abschluss der Szene.

Wie der Agent Jack London den jungen Eggsy rekrutiert, wird im Film jedoch glaubwürdiger gemacht. Hier wie da müsste er längst über das Alter hinaus sein, in dem man sich noch zu einem Super-Agenten formen lassen kann. Aber im Film wird der junge Mann als geistig und körperlich ziemlich fit eingeführt, während er im Comic bloß vor der Spielkonsole sitzt. Im Film sieht man mehr von der Ausbildung, während im Comic ein Großteil davon übersprungen wird, um die Handlung voranzutreiben.

Was der Film viel stärker zelebriert, ist der englische Stil, in Kleidung und Accessoires, der so sehr übertrieben wird, dass er vom Klischee zum Inbegriff der Coolness wird. Wenn Colin Firth eine Bar voller Rüpel vermöbelt, ist das dank Schirm und herrlicher Choreografie so beeindruckend, dass die kurze Sequenz im Comic da nicht mithalten kann. Gleiches gilt auch für das spätere Gemetzel. Im Comic testet der Schurke seine Waffe, indem er bei einer Massenhochzeit die Paare sich gegenseitig umbringen lässt, im Film wird stattdessen eine Kirchengemeinde zu blutrünstigen Zombies verwandelt, was eine viel gewagtere Botschaft sendet. Allerdings: Auch bei der Hochzeit heißt es, es sei besser, die Paare würden sich schon jetzt als erst nach Jahren an die Gurgel gehen.

Im Comic ist der Schurke ein blasser Nerd, der die Menschheit dezimieren will, um den Weltuntergang aufzuhalten, im Film bekommt die Figur dank Samuel L. Jacksons Darstellung mehr Charakter: Er lispelt und lässt sich McDonald’s-Burger liefern. Statt der Bodyguards ist es im Film seine Gefährtin, die auf Prothesen herumläuft – und diese auch noch als Waffen einsetzt.

Comic und Film ergänzen sich in vielen Aspekten, aber am Ende muss man feststellen: The Secret Service ist eines von Mark Millars schwächeren Werken. Auch weil Dave Gibbons (Watchmen) Zeichnungen etwas altbacken aussehen. Umso bemerkenswerter ist, dass aus dem Stoff ein Film gemacht wurde, der das Beste übernimmt und sich so frei davon macht, etwas zu erschaffen, das wie eine stärkere Version des Comics wirkt. Ein Kondensat, eine Essenz, die länger in Erinnerung bleibt.

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Vollendete Universalpoesie

Was Comics können (Teil 5): Watchmen von Alan Moore und Dave Gibbons
DC Comics

DC Comics

Watchmen gehört (neben The Dark Knight Returns) zu den bedeutendsten Superhelden-Comics. Damit erreicht das Genre seinen Höhe- und Endpunkt. Alan Moore und Dave Gibbons ist nicht nur ein Comic gelungen, das die Konventionen des Mediums sprengt. Es ist – Universalpoesie.

Mitte der 80er Jahre, nach fast einem halben Jahrhundert von Superman, Batman und Co., kamen die Superhelden in eine große Krise, eine Sackgasse. Das Konzept schien sich nun definitiv überlebt zu haben. DCs Multiversum war ein unübersichtlicher Haufen voller Helden und Welten geworden, in dem kaum noch einer durchblickte und der durchsetzt mit Brüchen war. Also beschloss man, reinen Tisch zu machen. 1985 wurde mit der zwölfteiligen Mini-Serie Crisis On Infinite Earths eine Schlacht eröffnet, bei dem im DC-Universum gründlich aufgeräumt wurde. Alte Helden starben, viel Unsinn (wie Superkatzen, -hunde und -pferde) wurde beseitigt. Derartig radikal entrümpelt war der Verlag offen für neue, frische Ideen.

In dieser Zeitenwende entstanden zwei größere Comic-Werke, die heute zum Kanon gehören und oft auch zusammen genannt werden – als Paradebeispiele für ernsthafte, erwachsene Superhelden-Storys: Frank Millers Batman-Dystopie The Dark Knight Returns (1986) und Alan Moores/Dave Gibbons‘ Watchmen (1986-1987). Beide Mini-Serien gelten als Abrechnungen mit dem Superheldengenre. Es sind Bankrotterklärungen: an hehre Ziele, Ideale und Heldentum. Es sind die beiden Endpunkte des Genres, Abgesänge und Totenfeiern – und die Säulen einer neuen Ära der ständigen Selbstzweifel und Rechtfertigungsversuche. Die Helden dieser Zeit werden zu Anti-Helden, Zynikern mit zweifelhaften Methoden, die selbst vor Folter und Mord nicht mehr zurückschrecken. Das entspricht einer Mode des sogenannten Modern Age (oder Dark Age, wie Grant Morrison es nennt): Die Helden sind so abgefuckt wie die Gesellschaft, die sie zu schützen versuchen. Eigentlich sind sie damit auch keine Helden, sondern bloß andere Freaks und Außenseiter, die die Drecksarbeit übernehmen, um wenigstens die schlimmsten Auswüchse einer verkorksten Welt zu beseitigen. Die Logik dahinter ist so einfach wie brutal: Der Abschaum rottet sich selbst gegenseitig aus.

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