drogen

My Heroes Have Always Been Junkies

My Heroes Have Always Been Junkies

Image Comics

Was haben David Bowie, Brian Wilson, Lou Reed, Billie Holiday und Gram Parson gemeinsam? Klar, sie waren zunächst alle Musiker. Aber für Ellie ist das Entscheidende: Alle waren auch drogensüchtig. Ellie ist eine junge Frau in einer teuren Entzugsklinik. Und sie ist die Einzige, die sich dort fehl am Platz fühlt. Ihre Vorbilder sind die Junkies, die es zu etwas gebracht haben.

„What if drugs help you find the thing that makes you special?“, sagt sie unverhohlen während der Gruppentherapie. Erst die Drogen hätten ihre Kreativität ermöglicht – und nichts von dem, was sie nach ihrer Sucht gemacht haben, reiche an ihre Junkie-Zeit heran. Die These ist so steil wie sie auch ein Gemeinplatz der Mythenschreibung ist. Machen Drogen den Künstler? Oder ruinieren sie ihn am Ende?

Für Ellie ist die Sache klar. Dass ihre Mutter selbst ein Junkie war, ändert nichts daran. Als sie mit Todd in der Klinik anbandelt, bringt sie ihn nicht nur zurück zu den Drogen zurück, gemeinsam hauen sie ab und leben von dem, was Ellie aus Apotheken zusammenklaut.

Ed Brubaker und Sean Phillips sind seit Jahren so etwas wie ein Dreamteam der US-Comics. Ihre gemeinsamen Serien Criminal, Fatale, The Fade Out und Kill or Be Killed wurden allesamt von Kritikern und Lesern gelobt. Image Comics hat Brubaker sogar einen Exklusivvertrag mit Carte Blanche gegeben. Er kann machen, was er will, und sie drucken es.

My Heroes Have Always Been Junkies ist ihre erste „Graphic Novel“, hier verstanden als alleinstehende Geschichte, die nicht vorher in serialisierter Form erschienen ist. Nur 72 Seiten ist sie lang, aber das ist genug, um diese Kurzgeschichte zu erzählen. Die Farben von Jacob Phillips mit ihren gedeckten Gelb-, Blau und Pink-Tönen erzeugen eine psychedelische Grundstimmung, ohne dass Zeichner Sean Phillips über seinen konventionellen Stil hinausgehen muss. Brubaker erzählt eine dialoglastige Geschichte, deren Hintergründe wir über Ellies Gedanken erfahren. Die Reflexionen über die süchtigen Künstler verbinden sich geschickt mit ihrer eigenen Familiengeschichte. Ellie erinnert sich zurück an die Songs eines Mixtapes ihrer Mutter.

Leider endet die Geschichte sehr abrupt mit einer Wendung, die wenig mit dem Thema Drogen zu tun hat und alles, was sie an Charakter aufgebaut hat, mit einem Schlag zunichte macht. Das überrascht zwar, aber lässt einen ziemlich gleichgültig zurück.

Andere sehen es offenbar anders: Der Comic ist für den diesjährigen Eisner-Award nominiert.

>> Ed Brubaker/Sean Phillips: My Heroes Have Always Been Junkies, Image Comics 2018.

Spiel mit Haken

Star Trek TNG: The Game (S05E06)

Die Scheibe und der Trichter. Star Trek TNG: The Game (S05E06)

Man stelle es sich vor: ein Spiel, das einen die Realität vergessen lässt. Das so viel Lust bereitet, dass man nichts anderes mehr machen will. Das muss man sich nicht vorstellen, das gibt es längst. Spielsucht ist nichts Neues. Beobachten kann man sie in Casinos und Wettbüros wie an den Rechnern und Konsolen weltweit. Aber nun gibt es Pokémon Go, ein Spiel, in dem Realität und Virtuelles miteinander verschmelzen und das in wenigen Tagen nicht nur ein Hype, sondern sich so rasant wie eine Pandemie verbreitet. Es macht einem fast Angst, wie die App quer durch alle Altersschichten Menschen beschäftigt. Wie Zombies gehen sie in Scharen durch die Stadt, starren auf ihre Handys und ignorieren die einfachsten Verkehrsregeln und Privateigentum. Mittlerweile soll das Spiel im Netz populärer sein als Pornos …

Energize: Captain Picard als Zocker.

Energize: Captain Picard als Zocker.

Die Sache erinnert stark an eine Folge aus der Fernsehserie Star Trek – The Next Generation. Wieder hat sich die Science Fiction als visionär erwiesen. In „The Game“ (dt. Gefährliche Spielsucht, Staffel 5, Episode 6, 1991), verfällt die Crew einem ganz ähnlichem Spiel, das sich ebenfalls vor dem Hintergrund der Realität, aber als Projektion vor den Augen entfaltet. Man setzt sich ein Gestell auf und los geht’s. Ziel des Spiels ist es, mittels Willenskraft rote Scheiben in violette Trichter zu werfen. Als Belohnung wird das Lustzentrum im Hirn stimuliert.

Riker ist begeistert.

Riker ist begeistert.

Der erste Offizier, Commander Riker, bringt das Spiel von einer Reise mit. An Bord entwickelt sich ein Trend, dem bald alle anheimfallen. Die Besatzung macht kaum noch etwas anderes, als verträumt vor sich hinzustarren – auch beim Gehen. Nur der kleine Sternenflotten-Kadett Wesley Crusher und seine Freundin widersetzen sich dem Spiel und finden heraus, dass es nicht nur süchtig macht, sondern auch das Denken ausschaltet. Wesley sucht Hilfe bei Captain Picard, doch auch er ist schon auf dem Trip hängengeblieben. Schließlich fliegen die jugendlichen Rebellen auf, werden von ihren Freunden und Kollegen gefangen genommen und zum Spiel gezwungen. Es ist ein Alptraum, nicht von ungefähr erinnert der dramatische Höhepunkt im Finale an den Film Clockwork Orange.

Gezwungen zur Gehirnwäsche: Clockwork Orange lässt grüßen.

Gezwungen zur Gehirnwäsche: Clockwork Orange lässt grüßen.

Am Ende kann interessanterweise nur eine andere Maschine gegen das Computerspiel helfen: Commander Data, ein Android, der präventiv von der Crew ausgeschaltet wurde, erwacht aus seiner Starre und bringt mittels eines Blinklichts alle wieder zur Vernunft.

Data in The Game.

Deus ex machina bringt Erleuchtung.

Während sie in der Star Trek-Episode alle irgendwann mit diesen Aufsätzen durch die Gegend laufen, ist es jetzt das Smartphone, das sich die Leute vors Gesicht halten, während sie virtuellen Monstern nachjagen – und dabei die Welt um sich herum ausblenden. Bei Star Trek wird das Spiel nicht nur als Droge gefährlich: es ist ein perfides Mittel der Unterwerfung der Sternenflotte durch Aliens. Nintendo wird wohl nur eine Absichten verfolgen: Profit. Eingriffe in ihre Gehirne und ihre Lebenswelt lassen die Menschen von ganz allein zu. Und das einzige Blinklicht, das sie am Ende aus der Hypnose befreit, wird wohl bloß der nächste Hype sein …

Aus großer Macht folgt Größenwahn

Netflix

Netflix

Es gibt diese Szene bei Breaking Bad, in der der DEA-Agent Hank Schrader seinem Neffen Walter Jr. ein Buch schenkt (S03E08, „I See You“). Es handelt von den Agenten, die den kolumbianischen Drogenboss Pablo Escobar verfolgt haben. Hank bedauert, dass es immer nur die Bösen seien, die die Aufmerksamkeit bekämen, nie die Guten. Das ist natürlich ein Kommentar zur Serie: alle lieben den Schurken Walter White, der Anständige Ermittler Hank ist bloß Mittel, um die Handlung spannend zu machen. Spätestens seit Al Capone und den Corleones sind Mafiosi die interessanteren Charaktere als die Unbestechlichen. In der Realität sollen die Guten gewinnen, in der Fiktion fasziniert das Böse.

So ist es auch mit Narcos. Die neue Netflix-Serie erzählt von Aufstieg und Fall Escobars und den Männern, die ihn bekämpft haben. Ähnlich gleichberechtigt wie bei The Wire werden die beiden Seiten dargestellt, wobei Narcos wegen seines Erzählers aus dem Off und den eingestreuten Originalaufnahmen noch dokumentarischer wirkt als Baltimores großes Drogen-Epos. Allerdings ist die Serie mehr als bloßes Reenactment. Erzähler ist zugleich der Protagonist, der DEA-Agent Steve Murphy. Doch leider erweist sich der Ansatz als größtes Manko der ansonsten gelungenen Serie und beweist einmal mehr, dass die Schurken die besseren Helden sind. Denn Murphy ist nicht nur ein fader Charakter, ein Milchbubi, der gerne der tough guy wäre und in der Drogenhölle Kolumbiens zum bad cop mutiert, aber selbst in all den Jahren im Ausland es nicht fertig bringt, Spanisch zu lernen. Man kann ihn nicht ernst nehmen – ganz zu schweigen davon, dass man sich schwerlich für diesen langweiligen Durchschnittsamerikaner interessieren kann. Selbst sein Partner Javier Peña wirkt sympathischer.

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