flüchtlinge

Frankfurter Fragmente #12: Labsaal

Der ästhetische Reiz des Verfallenen liegt wohl vor allem darin, dass es eine Geschichte mit sich trägt. Wer Ruinen besichtigt, wähnt sich als Zeitreisender, als ein Archäologe, der die Vergangenheit anhand der Relikte rekonstruiert. Man muss für eine solche Reise nicht zu antiken Stätten fahren, sogenannte Lost Places gibt es auch bei uns, mitten in der Stadt.

Der Labsaal war einst die erste Mensa auf dem Campus Bockenheim der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Seit Jahren ist sie geschlossen, das Gebäude wurde noch zum Teil für Seminare oder als Archiv genutzt. In einigen Jahren soll es abgerissen und durch einen Neubau für Büros und Wohnungen ersetzt werden. Doch zunächst soll es in einigen Wochen als Notunterkunft für Flüchtlinge dienen. Bis dahin werden die ehemaligen Speisesäle zu Bettenlagern hergerichtet.

Ein Rundgang durch das geräumte Labsaal-Gebäude ist eine Entdeckungsreise ins vergangene Jahrhundert.

Münchner Fragmente #2: Zeit

Foto: Lukas Gedziorowski

Foto: Lukas Gedziorowski

Dass Zeit gleich Geld ist, kann man am besten vor dem Apple Store beobachten, wo bereits vier Tage vor dem Verkaufsstart eines neuen Geräts Camper anzutreffen sind. Sie zahlen nicht bloß 739 bis 1069 Euro dafür, dass das iPhone 6 nun ein „S“ im Namen trägt, (was bereits viel Arbeitszeit kostet) sondern auch mit dem Einsatz von Lebenszeit. Mindestens vier Tage. Das sind 92 Stunden. Das fast so viel wie man für eine Luxus-Ausgabe des iPhones arbeiten muss – bei einem Stundenlohn von zehn Euro. Sie zahlen also eigentlich das Doppelte, nur um die Ersten zu sein, die ein Gerät besitzen dürfen. Um privilegierte Kunden zu sein, nehmen sie die größten Strapazen auf sich, bringen die größten Opfer. Insofern darf man diese Konsumopfer, die in freiwilliger Obdachlosigkeit vor dem Apple Store ausharren, als die ärmsten Mitglieder der Wohlstandsgesellschaft bemitleiden. Ein Ausdruck christlicher Nächstenliebe wäre es, ihnen ein bisschen Lebensinhalt zu schenken, um ihren Kauf vielleicht mit etwas Sinnvollem anzureichern. Vielleicht könnte man sie mit ein paar Flüchtlingen bekannt machen. Das wäre bestimmt für beide Seiten bereichernd. Ganz zu schweigen von dem Beitrag zur Integration.

Der Comic der Stunde

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Reinhard Kleist hat mit seinem Comic Der Traum von Europa das Buch der Stunde herausgebracht: Angesichts der Flüchtlingskrise ist die Geschichte der somalischen Olympionikin Samia Yusuf Omar, die 2012 auf der Flucht im Mittelmeer ertrank, nicht nur aktuell, sondern auch beispielhaft für das Leid von Millionen. Am Donnerstag hat der Künstler sein Buch in Frankfurt am Main vorgestellt und über seine Erfahrungen im nordirakischen Flüchtlingslager Kawergosk gesprochen. Es war ein aufschlussreicher Abend, bei dem auch deutlich wurde, dass manchmal auch bescheidene Bücher etwas bewirken können. Meinen Bericht dazu für das JOURNAL FRANKFURT findet ihr hier.

Albtraum Europa

Carlsen

Carlsen

Es gibt Bücher, die kann man nur schwer kritisieren. Nicht, weil sie so gut sind, sondern weil ihr das Sujet eine gewisse Aura der Unantastbarkeit verleiht. So ist es auch mit Der Traum von Olympia von Reinhard Kleist. Es geht um Flüchtlinge. Und da man nicht genug betonen kann, wie wichtig es ist, über das Schicksal dieser Menschen zu informieren, die für den Traum Europa ihr Leben riskieren und auch zu Tausenden verlieren, wird auch Kleists Comic einen wichtigen, weil anschaulichen und leicht zugänglichen Beitrag zur Volksaufklärung leisten.

Ich habe lange mit mir gehadert, dieses Buch zu lesen, auf das sich kurz nach seinem Erscheinen so ziemlich alle Rezensenten gestürzt und es in den Himmel gelobt haben. Mir kam es vor, als wüsste ich schon vor dem Lesen alles, was es darüber zu wissen gibt, ja, mir war, als hätte ich es längst gelesen. Erst jetzt, da mich das Thema Flüchtlinge auch journalistisch beschäftigt, habe ich zu dem Buch gegriffen. Doch ich frage mich, wie befürchtet: Was kann ich in einer Besprechung all dem Gesagten noch hinzufügen? Wäre jede Quengelei über inhaltliche oder formale Mängel nicht ein Suchen nach dem Haar in der Suppe? Übertrifft das Anliegen und das Gelingen nicht jede Kunstkritik?

(mehr …)