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Drei Begegnungen mit Günter Grass

Günter Grass Buchmesse 2007 (Foto: Lukas Gedziorowski)

Günter Grass Buchmesse 2007 (Foto: Lukas Gedziorowski)

Meine erste Begegnung mit ihm fühlte sich an, wie der Blick der Medusa. Ich erstarrte. Es war 2007 auf der Frankfurter Buchmesse. Ich machte gerade erste Schritte als Journalist bei einem Praktikum, als man mich dorthin schickte. Günter Grass sollte seine neueste Werkausgabe vorstellen. Sein jüngstes Buch, Beim Häuten der Zwiebel, hatte ich längst gelesen, klar. Ein tolles Buch. Seit ich mit 15 die Blechtrommel gelesen verschlungen und mir als Zeichen meiner pubertären Renitenz ein Stück Kindheit in Oskar Matzerath bewahrt hatte, war ich ein Fan. Doch der Fan war leider unvorbereitet, vor seinen Herrn zu treten. Also durchwühlte er kurz vor dem Termin noch eilig die Bestände beim Antiquar vor den Toren der Messe, doch Grass war skandalöser Weise rar, und ich wollte auf keinen Fall etwas kaufen, das ich schon besaß, schließlich fand ich ein Buch: Örtlich betäubt und Aus dem Tagebuch einer Schnecke – in einem Band. Sechs Euro. Völlig überteuert, egal. Jetzt aber schnell!

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Aus dem Leben eines Schreiberlings

Foto: Lukas Gedziorowski

Steinesammler bei den Blockupy-Protest am 18. März in Frankfurt (Foto: Lukas Gedziorowski)

Der Journalismus steckt in einer doppelten Krise: In einer ökonomischen und einer der Glaubwürdigkeit. Mal steht man im Verdacht, von Kapitalisten gekauft, mal „linksversifft“ zu sein. Mal wird zu viel, mal zu wenig berichtet. Wie man’s macht – man scheint es keinem recht machen zu können. Oder jedenfalls nicht allen. Muss man auch nicht. Aber immer öfter verlangen verschiedene Interessengruppen, dass die Presse ihren Zwecken dienen müsse. Das ist ebenso anmaßend wie sinnfrei. Vier Erfahrungen eines Lokaljournalisten in Frankfurt am Main.

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Auf eine Kippe mit Ottmar Hörl

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400 mal Goethe: grün, blau, rot, gelb zieren die Ein-Meter-Skulpturen den Rasen auf dem Campus Westend in Frankfurt. Und mittendrin: Ein Mann im weißen Hemd, der genüsslich seine Kippe raucht. Ottmar Hörl heißt er, Künstler von Beruf, das Genie hinter den Genies. Was hat er nicht schon alles geschaffen: 7000 Dürer-Hasen in Nürnberg, 10.000 Eulen in Athen, 800 Martin Luthers in Wittenberg, 500 Kaiser Karls in Aachen, Marx in Trier und Wagner in Bayreuth, Bären in Berlin und Löwen in Wiesbaden … – ja, könnte man meinen, wir haben’s kapiert, Ottmar! Nun, da alle deutschen Helden in Plastik verewigt sind, selbst Nazi- und Stinkefinger-Gartenzwerge den öffentlichen Raum schmücken durften, und nun selbst Goethe zum Gartenzwerg degradiert wurde, scheint die Masche durch zu sein. Aber wenn man sich diesen Künstler ansieht, wie er so cool zwischen seinen Skulpturen steht und gedankenversunken Rauchwolken bildet, scheint noch ein Denkmal zu fehlen: Ein Ottmar Hörl aus Plastik, in Lebensgröße, als Dauerinstallation, mit der Widmung: „Ottmar Hörl – Das gibt’s nur einmal, das kommt nie wieder“.

Die romantische Zukunft der Literatur

Diskussion zum Erzählen der Zukunft im Literaturhaus Frankfurt (Foto: Lukas Gedziorowski)

Porombka, von Borries, Moderator Schumacher, Breitlauch, Brüggemann im Literaturhaus Frankfurt (Foto: Lukas Gedziorowski)

Vier Menschen sprachen am Sonntag beim Romantik-Festival in Frankfurt über die Zukunft des Erzählens – im Hinblick auf die von den Frühromantikern geforderte Universalpoesie. Doch leider konnten die Epigonen nicht den Anspruch des Abends einlösen, es mangelte an klaren Visionen und vor allem an romantischen Perspektiven.

Wenn es ein frühromantische Projekt schlechthin gibt, dann ist es das der Universalpoesie. Es ist wahrscheinlich der höchste Anspruch, der je an Literatur gestellt worden ist: Alles vereinend, allumfassend, „ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt“, schreibt Friedrich Schlegel, „der höchsten und der allseitigsten Bildung fähig“ und wenn man noch Novalis Forderung hinzudenkt, dass die ganze Welt romantisiert werden solle, bedeutet das auch, dass alle Welt (universal-)poetisch werden soll. – Wow! Ein Wahnsinnsprojekt. Schlegel selbst gesteht in seinen Fragmenten ein, dass daraus nichts werden kann: „Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann.“ Man kann damit nur scheitern, aber auch immer daran weiterarbeiten.

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Beinahe romantisch

DJ Wim Wenders beim Romantik-Festival in Frankfurt (Foto: Lukas Gedziorowski)

DJ Wim Wenders beim Romantik-Festival in Frankfurt (Foto: Lukas Gedziorowski)

Frankfurt ist im Romantik-Fieber: Nach der Diskussion um das Romantik-Museum am Goethe-Haus hat es in einem Jahr zwei Kongresse zur Romantik gegeben, nun findet ein drittes im Literaturhaus statt. Am Samstag hat Regisseur Wim Wenders das Festival mit einem Bekenntnis eröffnet, warum er ein Romantiker ist – und sich dabei als Realist entlarvt. Bei der Diskussion im Anschluss stellte sich heraus, dass die Romantik noch heute präsent ist. Wer Romantik sucht, der findet sie auch.

„I’m a hopeless german romantic“, soll Wim Wenders geantwortet haben, als man ihn danach fragte, warum er seinen Film Paris, Texas (1984) so und nicht anders gedreht habe. Dieser Satz, den er nur „dahergesagt“ habe, ohne nachzudenken, habe ihm „lange nachgehangen“, sagte der Regisseur am Samstagabend im Literaturhaus Frankfurt, nun müsse er sich entweder dazu bekennen oder das Gegenteil behaupten – und letztendlich sei das überhaupt der Grund, warum er hier sei, beim Romantik-Festival „Was wir suchen, ist alles“. Oder, wie Wenders es ausdrückte, bei der Versammlung der „romantics anonymous“.

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Rolling with the King

King Khan

Die beste Party zur Walpurgisnacht hat im Frankfurter Mousonturm stattgefunden. Denn dort spielte die beste Band der Welt: King Khan and the Shrines. Ein fulminantes Konzert, das einem Erweckungserlebnis gleich kam.

Hier geht’s zu meinem Bericht fürs Journal Frankfurt

Wer die Welt zusammenhält

Die Liste der Woche: Filme über die Finanzbranche, Teil 2 (Dokumentationen)
Bankenturm in Frankfurt am Main

Bankenturm in Frankfurt am Main (Foto: Lukas Gedziorowski)

Nachdem wir vor einigen Wochen Spielfilme über Banker, Makler und Spekulanten vorgestellt haben, geht es nun ans Eingemachte: Fünf Dokumentationen zeigen uns – mal mehr, mal weniger neutral -, wie es wirklich in der bunten Welt der Wirtschaft zugeht. Firmenpleite bei Enron, Globalisierung, Kapitalismus, Liberalismus, Finanzkrise und das Leben von Investmentbankern sind die Themen. Und mal wieder schleicht sich die Erkenntnis ein, dass die Realität viel grotesker, absurder und wahnsinniger ist als die Fiktion. Insofern eine Warnung vorab: Wer alle fünf Filme gesehen hat, könnte zum Revolutionär werden, in die Politik gehen oder Wirtschaft studieren, um den ganzen Laden mal umzukrempeln. Es ist dringend nötig.

  1. Master of the Universe
  2. Inside Job
  3. Enron – The Smartest Guys In The Room
  4. Let’s Make Money
  5. Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte

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„Man muss die ganze Gegend erzählen, die Zeit!“

Kurzeck im Café Fellini (Foto: pk)

Peter Kurzeck im Café Fellini (Foto: pk)

Am 25. November starb der Schriftsteller Peter Kurzeck im Alter von 70 Jahren in Frankfurt am Main. Sein auf zwölf Bände angelegter Romanzyklus Das alte Jahrhundert bleibt nach dem fünften Band unvollendet. Eine Hommage an einen zu Lebzeiten zu wenig beachteten Autor.

„Immer der gleiche endlose leere Winternachmittag, bevor ich gegen vier in die Stadt gehe. Und Mer­de­rein (in seiner bodenlosen Verzweiflung demnächst bevorstehenden oder kürzlich statt­gehab­ten unvermeidlichen Nervenzusammenbruch kurzfristig ganz ver­gessend noch ein Schluck, es ist kurz vor drei) gerät gleich übergangslos ins Faseln. Siehe, dies ist die Gegenwart. Erzählt aus dem Stehgreif Lügengeschichten: wie er neulich mal in Frankfurt am Main an der Haupt­wache, im Advent, frischer Schnee war gefallen, wie er da diesen überlebensgroßen Eis- oder Grizzly­­bär, der ihm un­berechtigt nach dem Leben […]“ – hier nun muss man den Merderein unver­schäm­­ter­weise unterbrechen, ehe er noch weiter erzählen – lügen? – kann.

Ein Rastloser, Getriebener ist dieser Merderein, der Protagonist von Kurzecks zweitem Roman ‚Das schwarze Buch‘. Es ist ein Mann der vielen Tode, der unter anderem im Main er­trinkt, weil er mit einer ster­­benden Katze im Arm in ei­ner gutbeleuchteten Neujahrsnacht über den unzureichend ge­fro­renen Fluss möch­te, be­trun­­ken. Der von einem Lastwagen überrollt wird, als er die kleine und dunkle Knei­pe im Allerheiligenviertel doch noch verlässt; der im Schwimm­bad ertrinkt oder von den herabfallenden Trümmern eines baufälligen Hauses erschlagen wird. Immer weiter treibt ein unaufhaltsamer Erzählstrom die Figur vor sich her. Diese Ge­trie­ben­heit ist Kurzecks eige­ner nicht unähnlich und nicht wenige verstehen Merde­rein als Alter Ego des kürzlich Ver­storbenen. Und das, obwohl er eigentlich gar nichts mit ihm zu tun, dem Merderein, so Kurzeck selbst. Kenne die Leute ja nicht. Trotzdem stünden sie manchmal nachts an seinem Bett, um zu erzählen, unge­fragt und wollen oder können nicht aufhören.

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Romantik-Ausverkauf

Romantik zum Schlürfen. (Foto: Gedziorowski)

Romantik zum Schlürfen. (Foto: Gedziorowski)

Das Deutsche Romantik-Museum in Frankfurt ist kurz vor dem Ziel: Bald hat das Freie Deutsche Hochstift genug Spenden zusammen, um sein Projekt am Goethe-Haus realisieren zu können. Auf der letzten Etappe geht das Hochstift in die Vollen und heckt sich immer mehr genialische Streiche aus, wie sie die restlichen Moneten herbeischaffen kann: Mit dem Anstiften zum Konsum. Unser Autor hat sich im Fan-Shop umgesehen.

Der Spendenpegel steigt. Von den 8 Millionen Euro, die das Freie Deutsche Hochstift für ihr Deutsches Romantik-Museum auftreiben muss, sind 6,2 bereits beschafft, fehlen also noch 1,8 Millionen. Für manche ein Taschengeld, für das Hochstift eine Menge Holz. Die Kampagne läuft also auf Hochtouren. Plakate und Postkarten tragen die Botschaft in alle Welt hinaus: Es geht um Sehnsucht, Taugenichtse, ja und auch um Goethe, wenn’s denn unbedingt sein muss. Kurz mit Novalis: „Die Welt muss romantisiert werden!“ Und während Anne Bohnenkamp-Renken, Direktorin des Hochstifts, mit dem Klingelbeutel auf Tournee ist und nicht müde wird, ihr Evangelium von der Bedeutung des Projekts, von der einmaligen Chance und von dem universalpoetischen Konzept zu predigen, sucht die Romantik-Task Force des Hochstifts nach anderen Einkunftswegen. Die Zeit läuft davon.

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Baustelle Europa

Zur Abwechslung mal etwas für die Augen: Fotos von der Baustelle der Europäischen Zentralbank im Frankfurter Ostend, gemacht bei der jüngsten Besichtigung am Donnerstag (31. Oktober). Die Arbeiten laufen mehr oder weniger nach Plan, die Kosten schon lange nicht mehr (1,2 Milliarden!), Blockupy will zur Eröffnung im Jahr 2014 protestieren. Naja, ein Hingucker ist das Ensemble aus Doppelhochhaus und Großmarkthalle auf jeden Fall schon jetzt.

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(Alle Bilder von Lukas Gedziorowski.)