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Vollendete Universalpoesie

Was Comics können (Teil 5): Watchmen von Alan Moore und Dave Gibbons
DC Comics

DC Comics

Watchmen gehört (neben The Dark Knight Returns) zu den bedeutendsten Superhelden-Comics. Damit erreicht das Genre seinen Höhe- und Endpunkt. Alan Moore und Dave Gibbons ist nicht nur ein Comic gelungen, das die Konventionen des Mediums sprengt. Es ist – Universalpoesie.

Mitte der 80er Jahre, nach fast einem halben Jahrhundert von Superman, Batman und Co., kamen die Superhelden in eine große Krise, eine Sackgasse. Das Konzept schien sich nun definitiv überlebt zu haben. DCs Multiversum war ein unübersichtlicher Haufen voller Helden und Welten geworden, in dem kaum noch einer durchblickte und der durchsetzt mit Brüchen war. Also beschloss man, reinen Tisch zu machen. 1985 wurde mit der zwölfteiligen Mini-Serie Crisis On Infinite Earths eine Schlacht eröffnet, bei dem im DC-Universum gründlich aufgeräumt wurde. Alte Helden starben, viel Unsinn (wie Superkatzen, -hunde und -pferde) wurde beseitigt. Derartig radikal entrümpelt war der Verlag offen für neue, frische Ideen.

In dieser Zeitenwende entstanden zwei größere Comic-Werke, die heute zum Kanon gehören und oft auch zusammen genannt werden – als Paradebeispiele für ernsthafte, erwachsene Superhelden-Storys: Frank Millers Batman-Dystopie The Dark Knight Returns (1986) und Alan Moores/Dave Gibbons‘ Watchmen (1986-1987). Beide Mini-Serien gelten als Abrechnungen mit dem Superheldengenre. Es sind Bankrotterklärungen: an hehre Ziele, Ideale und Heldentum. Es sind die beiden Endpunkte des Genres, Abgesänge und Totenfeiern – und die Säulen einer neuen Ära der ständigen Selbstzweifel und Rechtfertigungsversuche. Die Helden dieser Zeit werden zu Anti-Helden, Zynikern mit zweifelhaften Methoden, die selbst vor Folter und Mord nicht mehr zurückschrecken. Das entspricht einer Mode des sogenannten Modern Age (oder Dark Age, wie Grant Morrison es nennt): Die Helden sind so abgefuckt wie die Gesellschaft, die sie zu schützen versuchen. Eigentlich sind sie damit auch keine Helden, sondern bloß andere Freaks und Außenseiter, die die Drecksarbeit übernehmen, um wenigstens die schlimmsten Auswüchse einer verkorksten Welt zu beseitigen. Die Logik dahinter ist so einfach wie brutal: Der Abschaum rottet sich selbst gegenseitig aus.

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Superhelden wie wir

Schaufensterhelden (Foto: Lukas Gedziorowski)

Schaufensterhelden (Foto: Lukas Gedziorowski)

Comic-Autor Grant Morrison hat ein Sachbuch über Superhelden geschrieben. Darin verbindet er Comic-Geschichte mit seiner Autobiografie und Exkursen darüber, was Superhelden mit der Realität zu tun haben. Das Ganze bildet zwar ein nicht immer schlüssiges Werk, dennoch ein lesenswertes für alle, die mehr über das Thema erfahren wollen.

Von Superhelden kann man so einiges lernen. Als ich ein Kind war, hörte ich den weisen Superman aus dem 78er Film sagen, dass Fliegen – statistisch gesehen – immer noch das sicherste Verkehrsmittel sei. So eine Weisheit, von einer Autorität wie dem besten Helden aller Zeiten gesagt, brannte sich ein. Dann, ein paar Jahre später, las ich in einem Comic (JLA #18), wie Bruce Wayne sagt, dass es Aufzüge mit Fluchtluken, die auch von innen aufgehen, nur in Filmen gebe. In Filmen, aber offenbar nicht zwingend in Comics – seltsam, dachte ich, so viel Realismus, inmitten so viel Fantastik. Und schließlich, im Jahr 2008, die Szene in The Dark Knight, in der Bruce Wayne seinen Gimmick-Entwickler Lucius Fox um einen neuen Anzug bittet. Dieser sieht nur an ihm herab und sagt ironisch: „Ja, drei Knöpfe sind 90er Jahre, Mr. Wayne.“ Daraufhin wurde mir klar, dass auch ich eine neue Garderobe brauchte.

Nun gibt es seit vergangenem Jahr ein Buch über Superhelden mit dem (viel zu langen) Untertitel Was wir von Superman, Batman, Wonder Woman und Co. lernen können. Geschrieben hat es der Großmeister Grant Morrison, der im Jahr 1989 Arkham Asylum, eines der innovativsten Batman-Comics geschrieben hat, danach die JLA reformierte und später für Batman und Superman zuständig war. Der Mann kennt sich aus in der Comic-Historie. Und so ist sein Buch, trotz seines Versprechens im Untertitel, vor allem ein Text über ein Stück Kulturgeschichte geworden. Und das ist auch gut so, denn viel lernen können „wir“ vor allem von Morrison.

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