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Serienloch

Das Schlimmste an der Serie Lost ist nicht ihr Ende, sondern dass sie überhaupt zu Ende geht. Wer kann sie nicht noch spüren, wenn er sich erinnert: diese innere Leere als alles vorbei war und man sich fragte, wie das Leben jetzt weitergehen soll. Ein Dasein ohne Lost schien möglich, aber sinnlos. Von einem so kontinuierlichen Adrenalin-Trip war es nicht leicht, so schnell runterzukommen. Man will eigentlich, dass er immer weitergeht, bis die Nerven vor Spannung reißen, bis man ein seelisches Wrack ist. Aber das Problem ist: im Gegensatz zu jeder anderen Droge gibt es Serien zwar im Überfluss, aber nie ohne Ende, und selten knallt mal eine richtig rein.

Nach Lost kam also erst Mal ein Loch. Man musste sich mit Dingen wie The Wire begnügen, eher ein Downer als ein Upper, Baltimore ist eher das Gegenteil von der mysteriösen Insel, die uns zu einem zweiten Zuhause geworden war, es verlangte ein anderes Sehen – und doch wurde jeder belohnt, der einen langen Atem hatte. Und dann war da noch so eine neue Serie namens Breaking Bad, ganz nett für den Anfang … Aber dann: Mit jeder neuen Staffel wurde klar, dass hier der Serienjunkie wieder drauf war. Nicht auf Adrenalin, sondern auf blauem Crystal Meth – dem so ziemlich feinsten Shit ever. Wie bei Lost, nur viel besser, weil ohne eine sich irgendwann totlaufende Selbstüberbietung, erlebte man die Höhen und Tiefen, als wäre man selbst einem Wechsel von Trip und kaltem Entzug ausgesetzt, als hinge das eigene Leben davon ab.

Und was machen wir seitdem? Boardwalk Empire – ganz schön, The Leftovers – großartiger Geheimtipp, Silicon Valley – sehr witzig, Fargo und True Detective waren super, aber leider kommt bei Anthologie-Serien keine echte Sucht auf. Mad Men ist eher ein Leisetreter und außerdem schon zu Ende … Bis auf House of Cards erreichte keine Serie bisher dieses Gefühl eines Allzeithochs, aber da kriegt der Junkie zwar die volle Dröhnung mit 13 Folgen auf einmal, aber auf die muss er jeweils ein Jahr warten. Aber trotz des Erfolges ist House of Cards weit entfernt davon, Kunst und Mainstream zu versöhnen, wie Lost oder Breaking Bad es getan haben. Die Serie ist hervorragend gemachte, anspruchsvolle Unterhaltung für Menschen, die beim Schauen gerne ihr Hirn einschalten. Der Rest guckt Game of Thrones oder The Walking Dead

Warum fehlen die Kicks? Weil wir verwöhnt, weil wir verdorben sind. Mit jeder genialen, großartigen, weltbewegenden Serie steigt der Anspruch an die nächste. Es ist der Fluch des Quality TV: Die Qualität muss ständig steigen, um die Zuschauer noch umzuhauen. Gierig durchstöbern wir das Angebot von HBO oder Netflix, geifernd nach dem nächsten Knaller. Alle Hoffnung ruht auf den großen Innovatoren. Daredevil haben wir verschlungen, es ist wohl die beste Superheldenserie aller Zeiten, irgendwann in diesem Jahr erscheint auch Jessica Jones, die nächste Marvel-Serie. Im Juni kommt Sense8 von den Wachowskis, vielleicht wird das ja das nächste Lost, hoffentlich besser (zugegeben: die Wachowskys haben seit Matrix nix Anständiges mehr gemacht, aber Co-Autor ist J. Michael Straczynski, daher besteht Hoffnung). Und HBO hat Westworld in der Mache. Selbstverständlich freut sich die Twin Peaks-Fangemeinde auf eine dritte Staffel mit 18 Folgen, die auch noch alle von David Lynch gemacht und mitgeschrieben werden. Doch wahrscheinlich ist das nächste geniale Ding wieder mal eine Serie, mit der niemand rechnet.

Früher waren Serien gut, wenn wir dabei abschalten konnten, aber nicht weggeschaltet haben. Heute dürfen sie nicht weniger als süchtig machen, sonst sind sie bloß ein schnell vergessener Zeitvertreib. Aber wie viel besser kann es noch werden, um den wachsenden Maßstäben gerecht zu werden? Wir leben in einer dekadenten Epoche, die geprägt ist von binge watching, Serienjunkietum und Snobismus. Wir versinken in Lethargie, weil der Luxus uns lähmt – deshalb wird es immer schwieriger, den Ansprüchen gerecht zu werden und die Zuschauer aus dem Koma zu wecken. Das ist Flucht und Segen zugleich.

Soundtrack unserer Serienhelden

Der Sampler der Woche: Songs aus Serien
AMC

AMC

Wer weiß, aus welchen TV-Serien all diese Songs stammen, schaut eindeutig zu viel 😉

Fünf Typen und eine Idee

HBO

HBO

Wer „The Social Network“ mochte, wird die HBO-Serie „Silicon Valley“ wahrscheinlich lieben. Es ist etwas wie ein „Big Bang Theory“ für Erwachsene, ohne das bescheuerte Gelächter aus dem Off, das einem anzeigt, wann man zu lachen habe. Eine HBO-Serie über fünf IT-Nerds, die in Palo Alto ihr Glück versuchen. Eigentlich arbeiten die Jungs für Hooli, die innovativste Internetfirma der Welt. Doch als zufällig rauskommt, dass Richards Idee für eine Musikplattform eine revolutionäre Kompromierungsrate hinkriegt, interessieren sich sowohl Hooli als auch die Konkurrenz dafür. Der unbedarfte Held steht vor der wichtigsten Entscheidung seines Lebens: verkauft er die Idee für zehn Millionen Dollar oder baut er mit ein bisschen Starthilfe sein eigenes, vielleicht einst milliardenschweres Unternehmen auf?

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Ein Käfig voller Hühner

Orange is the New Black

Die Serie Orange Is the New Black ist neben House of Cards das zweite Flaggschiff des VOD-Dienstes Netflix. Mit einer ausgewogenen Mischung aus Komödie und Drama behandelt sie den Alltag in einem Frauenknast. Und der ist offenbar nicht so schlimm, wie man denkt. Abgesehen von einigen Ausnahmen.

Man sieht es der dünnen blonden Frau mit ihren großen Augen und ihrem verhuschten Wesen gleich an, dass sie nicht hierhergehört. Und dennoch trägt sie diesen orangen Overall, der sie als Neuling im Frauenknast deklariert. Einer der wenigen Farbtupfer an einem Ort, dessen Farbpalette von grau bis beige reicht. Von jetzt an gilt: „Orange Is the New Black“, so der ironische Titel der Serie, der klarmacht, dass es um einen Ort geht, an dem Mode keine Rolle spielt. Vorbei das Leben, wie sie es kannte.

Für unsere Heldin, Piper Chapman, war es bisher kein übles: Sie war verlobt mit einem Autor und vertrieb mit ihrer Freundin selbstgemachte Pflegeprodukte. Nun muss Chapman für ein Jahr ins Gefängnis, weil sie einmal vor zehn Jahren als Kurier für Drogengeld fungiert hat. Zwei Jahre später wäre die Tat verjährt. „Ich arbeite hier seit 22 Jahren und verstehe immer noch nicht, wie das System funktioniert“, sagt Chapmans Betreuer Healy. „’ne Crackdealerin kriegt neun Monate. Und ’ne Frau, die versehentlich beim Einparken den Postboten anfährt, die bekommt vier Jahre. Der Arme hat sich das Schlüsselbein gebrochen, aber trotzdem: ich versteh’s einfach nicht.“

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Trip ins Ungewisse

The Leftovers

Wohin entschwebt sie? (Aus dem Vorspann von The Leftovers.)

Die HBO-Serie The Leftovers fordert seine Zuschauer mit existenziellen Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Bedeutung von Ereignissen heraus. Ein Trip ins Ungewisse, der sich auf jeden Fall lohnt.

Der 14. Oktober in Mapleton, einer Kleinstadt im Staat New York. Eine Mutter verlässt den Waschsalon mit ihrem Kleinkind, sie legt es auf den Rücksitz ihres Autos, das Kind schreit unentwegt, die Mutter telefoniert. Plötzlich ist es still, die Mutter sieht nach dem Kind – und es ist spurlos verschwunden. Die Mutter steigt aus, sucht und ruft nach ihm. Ein Junge steht hilflos da und ruft nach seinem Vater. Ein Auto kracht in ein anderes. An diesem Tag, in diesem Augenblick sind plötzlich zwei Prozent der Weltbevölkerung verschwunden. Drei Jahre später gibt es von diesen Menschen immer noch keine Spur. Die Wissenschaft hat keine Erklärung. Es gibt kein Muster.

Das ist die Ausgangssituation von The Leftovers, der jüngsten HBO-Serie. Sie basiert auf dem gleichnamigen Roman von Tom Perrotta, mitentwickelt wurde sie vom Lost-Veteranen Damon Lindelof. Im Mittelpunkt der Serie stehen die Hinterbliebenen in Mapleton und wie sie mit dem Verschwinden ihrer Angehörigen umgehen. Viele trauern, manche verzweifeln, andere finden sich damit ab. Letzteres trifft vor allem auf die Guilty Remnants zu, eine geheimnisvolle Gruppe weißgekleideter, kettenrauchender und schweigender Menschen, die abgeschottet in Kommunen leben und andere Menschen mit subtilen Guerilla-Aktionen terrorisieren.

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Wahre Freundschaft

True Detective

Die neue HBO-Serie True Detective belebt das Krimi-Genre jenseits des Formelhaften wieder. Hier geht es mehr um lebendige Charaktere statt um Leichen und ihre Mörder. Matthew McConaughey setzt mit einer Glanzvorstellung seinen Triumphzug fort. Einzig das Anthologie-Format ist bedauerlich.

Zugegeben: Ich mag keine Krimis. Ich lese sie nicht, ich schaue sie nicht. „Wer ist der Mörder?“ ist eine Frage, deren Antwort mich nicht die Bohne interessiert. Doch immer wieder gibt es Ausnahmen. Es muss schon etwas Besonderes dabei sein: Ein abgedrehtes Setting mit schrägen Charakteren wie bei Twin Peaks oder ein Format wie The Wire, das die Grenzen des Genres sprengt. Im Wesentlichen aber geht es – wie bei den meisten Geschichten – um Charaktere. Egal, wie das Verbrechen ist, wie der Tatort aussieht, wie irre die Verdächtigen sind: Wenn die Ermittler einen interessieren, bleibt man dabei. So ist es auch bei mir.

True Detective, der neueste Streich von HBO, ist so ein Fall.  Mir reichte schon der Name des Senders, um mein Interesse zu wecken. Und wie meistens wird man fürstlich unterhalten. Sympathisch sind die beiden Detektive nicht, aber interessant. Und eben das macht sie wiederum sympathisch. Der eine, Rust Cohle (Matthew McConaughey), ist ein introvertierter Einzelgänger, genialer Ermittler, sowie Pessimist und Nihilist. Der andere, Martin Hart (Woody Harrelson), gibt nur vordergründig den Durchschnittstypen im Familienglück, dem die Ansichten seines Kollegen auf die Nerven gehen. Doch schnell stellt sich heraus, dass Hart ein Doppelleben führt, zum Saufen und Überreagieren neigt. Die beiden kommen an einen Tatort auf freiem Feld, wo sie die nackte gefesselte Leiche einer toten Frau mit Hirschgeweih finden. Es beginnt eine Odyssee durch Louisiana zwischen bibeltreuen Christen, Prostituierten, Bikern und White Trash.

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Endlich: Oz auf Deutsch!

Am 24. März ist es soweit: Sky Atlantic HD beginnt, die Gefängnis-Serie Oz auszustrahlen. 17 Jahre nach der Staffelpremiere in den USA. Der deutsche Untertitel: „Hölle hinter Gittern“. Wie ich bereits geschildert habe, handelt es sich um die erste einstündige TV-Serie des Kabelsenders HBO. Sie lief von 1997 bis 2003, kam auf sechs Staffeln und 56 Folgen. Obwohl sie viele Entwicklungen heutiger Autorenserien vorweg nahm, blieb sie immer im Schatten der später begonnenen Sopranos.

Anders als der Name suggeriert, handelt es sich um alles andere als ein Märchen: Gezeigt wird der Alltag im Hochsicherheitsgefägnis Oz (eigentlich Oswald Maximum Security Penitentiary). Der Großteil der Handlung spielt in Emerald City (Em City), einer experimentellen Einheit, in der sich die Häftlinge freier bewegen dürfen. Es gibt keinen Einzelhelden, sondern ein Ensemble verschiedener Charaktere, die für verschiedene Gruppen von Insassen stehen: Schwarze, Latinos, Neonazis, Muslime – auch die Wärter bilden eine Gruppe. In Oz geht es hart zur Sache: Drogen, Sex, Vergewaltigung und Gewalt. Kaum eine Folge, in der nicht jemand brutal ermordet wird. Der Figurenverschleiß ist hoch. Aber Sympathieträger gibt es ohnehin kaum.

Die Ausnahme ist eine Besonderheit der Serie: Oz wird erzählt von einem Außenseiter, Augustus Hill, ein Mann im Rollstuhl. Im flapsigen Ton ergänzt er die Handlung mit Anekdoten und weltanschaulichen Betrachtungen zu den jeweiligen Themen der Folgen – so wird die ernste Handlung reflektiert und ironisch gebrochen. Allein wegen dieser Erzählweise hat Oz eine Chance verdient.

Die Serie läuft montags bis freitags um 20 Uhr auf Sky Atlantic HD. Auf Englisch ist sie auf DVD erhältlich.

Wiederaufbau mit Musik

The Treme Brass Band (Foto: HBO)

The Treme Brass Band (Foto: HBO)

Wer The Wire mochte, sollte sich Treme ansehen. Die Macher der gelobten Baltimore-Serie zeigen das Leben der Menschen in New Orleans nach dem Hurrikan Katrina. Im Mittelpunkt steht die alles verbindende, großartige und vielfältige Musik der Stadt. Schwer, sich danach nicht in New Orleans zu verlieben. Doch die HBO-Serie ist etwas für sehr geduldige Zuschauer.

„New Orleans ist eine postapokalyptische Stadt, es gibt objektiv keinen guten Grund dort zu leben“, hat der Autor David Simon im Januar 2013 Spiegel Online gesagt. „Die Kultur ist das Einzige, was die Stadt am Leben hält. Die Kultur ist die Währung von New Orleans.“ Darum geht es in der Serie Treme, die von 2010-2013 auf dem US-Kabelsender HBO gelaufen ist. David Simon, der bereits für The Wire verantwortlich war, hat sie mit seinem Autorenkollegen Eric Overmyer geschaffen. Wie es bei The Wire um das Porträt der Stadt Baltimore ging, so geht es in Treme um die Gesellschaft von New Orleans. Die Serie ist ein Ensemble-Drama, das kurz nach der Zerstörung durch den Hurrikan Katrina im Jahr 2005 spielt. Und für The Wire-Fans gibt es ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern wie Wendell Pierce („Bunk Moreland“) und Clarke Peters („Lester Freamon“).

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8 Gründe für Boardwalk Empire

Boardwalk Empire

Okay, nun da Breaking Bad vorbei ist – was soll man tun, um die Lücke im Leben, die Walter White hinterlassen hat, wieder mit etwas Sinnvollem zu füllen? Ach, es gibt so viele tolle Serien. Aber wieso schwärmen alle von Mittelmaß wie Homeland und Game of Thrones, wenn es so etwas viel besseres wie Boardwalk Empire gibt? Eigenartigerweise scheint diese HBO-Serie weitgehend ignoriert zu werden. Zu unrecht! Hier kommen 8 Gründe, warum man sie sich unbedingt anschauen und verschenken sollte.

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Kleine Happen

Während immer mehr Serien per Video-on-Demand geschaut werden, strahlt Sky immer noch sein Programm über das Fernsehen aus. Doch nun ist der Pay-TV-Provider in der Gegenwart angekommen: Nach den Angeboten Sky+, SkyGo und Sky Anytime für Abonennten gibt es jetzt ein Video-on-Demand-Angebot für jedermann: Snap by Sky. Für rund 10 Euro im Monat kann man sich ohne Ende Filme und Serien anschauen. Na ja, fast ohne Ende.

Die Sopranos sind da. Alle sechs Staffeln. Auch 24, The Wire, Rome und die Gilmore Girls sind komplett. Doch von True Blood gibt es nur die ersten drei (von bisher sechs) Seasons, von Six Feet Under auch (drei von fünf) und von Boardwalk Empire nur die erste Staffel (von insgesamt vier). Dafür bietet Snap auch einige ältere HBO-Raritäten wie die kurzlebige Serie Carnivale, die Mini-Serie Generation Kill von The Wire-Macher David Simon sowie den preisgekrönten Zweiteiler Empire Falls. Kurz gesagt: Das Neueste fehlt, oftmals auch mehr.

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