matt damon

Weltraumkartoffeln

Der Weltraum ist der Unort schlechthin. Der allergrößte Teil des Universums ist nicht für uns gemacht: lebensfeindlich durch und durch, ein bitterkaltes Nichts. Der Mond ist ein Nichts mit Stein und Staub. Der Mars ist eine Spielart davon in rot, zwar mit Wasser, aber irrelevant. So finden die NASA-Leute in Ridley Scotts Film Der Marsianer nichts als Steine auf dem Planeten. Als dann ein riesiger Sturm die Mission zum Abbruch zwingt, machen sich die Leute schnell davon. Einer, Mark Wattney, verunglückt und wird für tot erklärt. Doch er überlebt und muss es irgendwie schaffen zu überleben – bis irgendwann vielleicht Hilfe kommt. Wenn nicht, wird er entweder erfrieren, verdursten oder verhungern.

Matt Damon spielt den Robinson auf dem Mars als souveränen Macher, der jede Situation mit Exkrementen und Klebeband zu meistern weiß. Einfallsreich wie McGyver baut er sich ein Gewächshaus und kultiviert Kartoffeln, findet eine alte Mars-Sonde und schafft es mittels primitiver Mittel, mit der Erde in Kontakt zu treten. Das Erstaunlichste daran ist aber, wie der Held in völliger Einsamkeit, Isolation und Langeweile nicht durchdreht und sich auch keinen imaginären Freund in Form eines Weltraumanzuges oder wenigstens -helms sucht, sondern sich in unermüdlichem Eifer, wie ein überzeugter Siedler, sein Überleben mit Rationierung sichert. Weit weg, auf der Erde, spielen NASA-Leute in Designerbüros mit Sichtbetonwänden Szenarien inzwischen wissenschaftliche und moralische Fragen durch: Darf und soll man fünf Menschenleben riskieren, um eines zu retten? Die Frage hat Hollywood spätestens bei Star Trek III beantwortet, als sich die Crew auf die Suche nach Mr. Spock begab, und mit Der Soldat James Ryan (schon damals mit Matt Damon!) ad absurdum geführt – und so werden alle Zweifel mit der bewährten „Alle-für-einen“-Euphorie und dem üblichen US-Pathos ausgemerzt.

Auch 20 Jahre nach Apollo 13 und zwei Jahre nach Gravity wirkt Der Marsianer, trotz seines für einen Science-Fiction-Films sehr realistischen, fast schon puristischen Ansatzes (keine Aliens, kein Warp-Antrieb) wie ein cineastisches Déjà-vu. Die Versatzstücke hat man so oder ähnlich schon einmal gesehen, vor allem bei Apollo 13, da aber spannender. Und allein von der Bildgewalt können die unendlichen Wüsten des Mars nicht mit den unendlichen Weiten und der beklemmenden Stimmung von Gravity mithalten – ganz zu schweigen von der mitreißenden Kamera-Arbeit. Der Marsianer ist ein weitgehend konservatives Filmchen, wie sie Ridley Scott schon lange dreht, sein bester Film seit American Gangster, vielleicht sogar der beste Mars-Film, aber gemessen an den cineastischen Perlen der vergangenen Jahre keineswegs ein herausragendes Werk. Was ihm vor allem fehlt, ist eine menschliche Tiefe. Die Charaktere, obwohl prominent besetzt, werden bloß oberflächlich eingeführt, größere Anteilnahme können sie einem nicht entlocken.

Was bleibt, ist ein einsamer Mann in der Wüste, der unbestimmt genug bleibt, dass sich jeder mit ihm identifizieren kann, der aber keinen großen Eindruck hinterlässt. Ein Mensch, der reduziert ist auf einen eisernen Überlebenswillen, der sich nur von Kartoffeln, Ketchup und Astronautenbrot ernährt. Der Mensch als nahezu stoischer Anpassungsmeister, der selbst verhasste Musik erträgt. Offenbar muss man, wenn man es mit dem Nichts des Alls aufnimmt, so weit gehen, sich selbst zum Vakuum zu machen.