
Lautstarke Meinungsbekundung (Foto: Lukas Gedziorowski)
Das Schönste an Meinungen ist, dass jeder eine haben kann – auch mangels Ahnung. Das Allerschönste ist, dass jeder sie auch äußern darf – auch wenn er ein Idiot ist. Das Dumme an Meinungen ist, dass sie stark auseinandergehen – und sogar sich widersprechen. Das Dümmste ist aber, wenn dann einer meint, die Meinung des Anderen, sei so falsch, dass sie verboten gehöre.
Ich schrieb vor kurzem, dass ich einen Film nicht mochte. Und dann bekam ich zurück: Frechheit! Ich hätte wohl Verdauungsprobleme. Oder ich schrieb, dass ich mit der jüngsten Frankfurter Poetikvorlesung nichts anfangen konnte. Dann schnappte gleich einer ein, gab sich empört und kam mir mit Bücherverbrennung (ich verstehe das auch nicht). Beide Kommentatoren haben neben ihrer Hypersensibilität noch etwas gemeinsam: Sie verweisen auf die Meinung der anderen, derer, deren Meinung sie teilen. Der eine auf den Erfolg des Films an den Kinokassen, der andere auf das Lob der Feuilletons. Meine Meinung zählt nicht, solange es andere gibt, die einem genehmer sind. Ja, mehr noch: Meine Meinung ist offenbar so falsch, dass sie kein Recht hat, geäußert zu werden.
Ich habe vor einigen Wochen bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Lügenpresse“ erlebt, wie einer sagte, er lese nur Zeitungen, in der er seine eigene Meinung wiederfinde. Das ist bemerkenswert, weil ich bis dahin gedacht hatte, dass man Zeitung liest, um etwas Neues zu erfahren, nicht nur im Sinne von Nachrichten, sondern auch im Sinne von anderen Standpunkten. Aber manche suchen offenbar bloß Selbstbestätigung. (Fragt sich nur, wozu man dafür Zeitungen kaufen muss.) Und wenn man sie bei einem Autor nicht findet, wenn der sogar noch eine Mehrheitsmeinung vertritt, oder noch schlimmer die der Herrschenden, dann muss er wohl gekauft sein oder sich nicht trauen, „die Wahrheit“ zu sagen. Auf jeden Fall ist er – für solche Leser – unglaubwürdig.
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