Wer würde schon einen Dieb einstellen? Niemand. Deshalb muss der Dieb auf selbständiger Basis arbeiten. Aber der Dieb braucht auch Hehler. Ein Metalldieb wird auf dem Schrottplatz sein Zeug los. Der Sensationsgeier beim Fernsehen. Der Film Nightcrawler zeigt eine solche Karriere, vom Metalldieb zum Lieferant von Filmmaterial, das von Tatorten und Unfallstellen stammt. Lou Bloom (Jake Gyllenhaal) ist unser Antiheld, ein seltsamer Einzelgänger und ein Versager, aber alles andere als dumm. Man fragt sich, warum er es zu nichts gebracht hat, bei so einer schnellen Auffassungsgabe. Aber er ist wohl ein Spätzünder, der sein Talent erst spät entdeckt.
rezension
Wichtig ist nicht immer richtig
Es gibt Filme, die allein von ihrem Thema profitieren. Weil es gerade „aktuell“ oder gar „wichtig“ ist, färbt es auf das Werk ab, das davon handelt. Die Doku Citizenfour ist ein Paradebeispiel dafür. Lobeshymnen erklingen für den Snowden-Film, der ja so authentisch und erschreckend und ach so … wichtig ist – jaja … Nüchtern betrachtet bietet dieser Film nichts Neues – bis auf die Bilder zu den Interviews, die Basis für die Berichte im vergangenen Jahr waren. Doch es sind Bilder ohne Mehrwert. Stümperhaft (oder gewollt unruhig, aber nervig) gefilmt sieht man ein paar Gesichter in Nahaufnahmen und einen Snowden, wie er sich in seinem Hotelzimmer die Haare richtet, sich paranoid unter einer Decke versteckt, wenn er sein Passwort eingibt, oder gedankenverloren aus dem Fenster schaut. Der Nebeneffekt: Anders als es Snowden wollte (und im Film ständig beteuert) rückt die Doku die Person in den Vordergrund statt sich darum zu kümmern, die Umstände, die diese anprangert, näher zu beleuchten. So fragt man sich nach fast zwei Stunden Laufzeit, warum man sich diesen drögen, oberflächlichen und zähen Film angetan hat, wenn man hinterher so schlau ist wie zuvor.
Odyssee durchs Wurmloch
Frau aus dem Haus

Jetzt ist sie weg – weg! Und ich bin wieder allein, allein …
David Finchers neuester Streich, Gone Girl, ist mal wieder super-clever geraten: Kommt daher wie ein Krimi, dann wie ein Thriller, ist aber nichts als ein hochaufgeladenes Drama über die Ehe – und zugleich eine Abrechnung mit ihr. Paare sollten ihn sich nicht in einer Reihe mit Zeiten des Aufruhrs ansehen.
Kaum war der Film aus und das Kinopublikum strömte während des Abspanns auf den Ausgang zu, da war schon der erste Zank zu hören: „Ich habe ja gar nicht gesagt, dass der Film schlecht war!“, blafft eine junge Frau ihren männlichen Begleiter an. Ich habe nicht mehr gehört, wie das Gespräch weiterging, aber die Stimmung war ziemlich aufgeheizt. Ich dachte an irgendeinen Fall gestörter Kommunikation, ein banales Missverständnis, das vielleicht zu einem Streit, vielleicht zu einem versauten Abend führen würde. Und so unnötig es erschien, so verständlich war es auch. Denn dieser Film, Gone Girl, wühlt auf, hinterlässt Spuren, wenn nicht gar Narben. Paare sind besonders gefährdet.
Denn er hat eine Wirkung wie sie zuvor nur Filme wie Zeiten des Aufruhrs oder Bücher wie Goethes Wahlverwandtschaften hatten. Gone Girl konstruiert vielleicht einen Extremfall, aber erschüttert zugleich auch das Konzept der Ehe so sehr, dass man seine Zweifel daran bekommen könnte, ob Männer und Frauen (oder die gleichgeschlechtlichen Äquivalente) überhaupt zusammenpassen – oder ob sie sich nur zusammenraufen. Ehe ist hier Arbeit, harte Arbeit, so hart, dass man sich fragen kann, ob sie die Mühe wert ist usw.
Allein unter Engeln

Auf Engelsflügeln: Jack White
Jack White zweites Solo-Album Lazaretto wirkt so totenblass wie sein erstes. Ein Phantom zwischen Rock, Country und Hip Hop, das zuweilen an Ideen erstickt, von denen aber die wenigsten gut sind.
Da sitzt er, der blassgesichtige Mann mit den rabenschwarzen Haaren und dem blauen Samtanzug, umgeben von Engeln, drei auf jeder Seite, lässig stützt er seine Arme auf zwei knienden geflügelten Dienern ab. Und tatsächlich darf sich Jack White derzeit zurücklehnen, denn die Maschine, die er angeworfen hat, läuft wie geschmiert: Sein zweites Solo-Album wurde mit mächtig Bohei beworben, allein die Vinyl-Ausgabe lockt mit Mätzchen wie Spielereien mit der Auslaufrille und Engels-Hologrammen, und der Künstler selbst hat sich zuletzt im Rolling Stone (wo er die Coverstory bekam) ziemlich abfällig über die Kollegen von den Black Keys geäußert, nur um sich kurz darauf auf seiner Website bei ihnen zu entschuldigen – es sei ja alles nicht so gemeint gewesen.
Eine Dreieckstragödie
Wer den Urlaub genießt, will, dass er nie aufhört: Müßiggang, ein bisschen Kultur und viel kulinarischer Genuss. So geht es auch unserem Pärchen in dem Film Die zwei Gesichter des Januars: Chester (Viggo Mortensen) und Colette (Kirsten Dunst) sind im Athen der 60er Jahre unterwegs und schauen sich die antiken Ruinen an, als ihnen der junge Fremdenführer Rydal (Oscar Isaac) über den Weg läuft. Der Mann starrt ein wenig auffällig – vor allem scheint er sich für die Frau zu interessieren. Er selbst sagt, dass ihn der Chester an seinen Vater erinnere, der vor kurzem gestorben sei und dessen Begräbnis der Sohn gemieden hat. Der junge Mann verbringt Zeit mit dem Paar, führt sie rum, bescheißt sie ein wenig, aber ohne größere Schäden – denn Geld haben sie ja genug.
Doch offenbar ist das nicht ehrlich erworben: Eines Abends steht ein Privatdetektiv vor der Hoteltür des Paares und fordert von Chester, der Anlageberater ist, das Geld seiner betrogenen Klienten zurück. Es kommt zum Kampf, der Detektiv stirbt – und unser Held hat eine Menge Ärger am Hals. Er flieht mit seiner Frau, der junge Mann begleitet sie und versucht, ihnen mit neuen Pässen zu helfen. Unterwegs kommt es zu einer Dreiecksgeschichte mit Eifersüchteleien und Gewalt – die Sache gerät zur Tragödie.
Regisseur und Drehbuchautor Hossein Amini (Drive) hat den Roman von Patricia Highsmith zu einem flüssigen, stringenten Film gemacht, der die Balance zwischen Drama und Thriller schafft, ohne allzusehr in Reißerisches oder Melodramatisches abzudriften. Vielmehr wird die Odyssee dreier Leute gezeigt, die sich schon längst in der Fremde verloren haben und nun alles dafür tun, um aneinander kaputt zu gehen. Hier und da hätte man sich vielleicht ein paar tiefere Einblicke in die Charaktere gewünscht, so bleiben neben Viggo Mortensen die beiden anderen Rollen etwas zurück und die Verknüpfung, die zwischen Rydals Vater und Chester gezogen wird, ist etwas bemüht und bleibt oberflächlich. Dennoch: Ein unterhaltsames, kurzweiliges Filmvergnügen.
Alles andere als amazing
Der Film The Amazing Spider-Man 2 bietet zwar großes Spektakel, bleibt aber wie sein Vorgänger ein sehr durchschnittlicher Superheldenfilm, der sich zu sehr auf Altbewährtes und Klischees verlässt.
ACHTUNG: SPOILER!!!
Es fährt ein Zug nach nirgendwo
Der dystopische Film Snowpiercer hat noch vor Kinostart für Aufsehen gesorgt, manche sehen darin das nächste große Ding. Doch leider bleibt der Film zu geradlinig, zu sehr alten Formeln verhaftet und ermüdet durch lange Kampfszenen. Das alles hat man schon mal besser gesehen.
Stellen wir uns vor, die Welt würde vereisen. Dann müssten sich die Menschen, die die Katastrophe überlebt haben, irgendwo vor der Kälte in Sicherheit bringen. In gut isolierte Gebäude, Passivhäuser vielleicht. Oder, wenn das nichts hilft, in den Untergrund, weil es im Erdinneren bis auf absehbare Zeit warm bleiben dürfte. Oder aber man macht sich mobil, wie zum Beispiel in einem Zug, der um die ganze Welt fährt. Ja, warum denn nicht mal ein Zug, als Arche für Mensch, Tier und Pflanzen?
Fühlt sich an wie Betrug
Es gibt diesen alten Trick, er funktioniert immer wieder: Man nimmt einen Film – irgendeinen – und bastelt seine Höhepunkte zu einem Best of von wenigen Minuten zusammen, das alles unterlegt von ein bis zwei starken Songs aus dem Film. Dieses Filmchen muss kein sinnvolles Ganzes bilden, es muss auch nichts mit der Geschichte des Films zu tun haben, Hauptsache ist, es bildet einen schönen Schein. Diese Filmchen nennt man Trailer – und wenn man sie besonders gut hinkriegt, gehen die Leute auch ins Kino. Und vielleicht gelingt es auch, dass man den Film nach dem Trailer bewertet. Dann gibt es sogar ein paar Preise.
Dieses Gefühl jedenfalls hatte ich beim Schauen von American Hustle. Eigentlich konnte ich mit diesem Film nicht viel falsch machen: Regisseur David O. Russell hat zuletzt so tolle Filme wie The Fighter (2010) und Silver Linings (2012) gedreht, das Schauspieler-Ensemble ist großartig (Christian Bale, Amy Adams, Bradley Cooper, Jennifer Lawrence), die Kritik ist hingerissen (Metascore: 90/100; Rotten Tomatoes: 93 Prozent Wohlgefallen), der Streifen ist nominiert für zehn Oscars – und das auch in allen Hauptkategorien.
Superhelden wie wir

Schaufensterhelden (Foto: Lukas Gedziorowski)
Comic-Autor Grant Morrison hat ein Sachbuch über Superhelden geschrieben. Darin verbindet er Comic-Geschichte mit seiner Autobiografie und Exkursen darüber, was Superhelden mit der Realität zu tun haben. Das Ganze bildet zwar ein nicht immer schlüssiges Werk, dennoch ein lesenswertes für alle, die mehr über das Thema erfahren wollen.
Von Superhelden kann man so einiges lernen. Als ich ein Kind war, hörte ich den weisen Superman aus dem 78er Film sagen, dass Fliegen – statistisch gesehen – immer noch das sicherste Verkehrsmittel sei. So eine Weisheit, von einer Autorität wie dem besten Helden aller Zeiten gesagt, brannte sich ein. Dann, ein paar Jahre später, las ich in einem Comic (JLA #18), wie Bruce Wayne sagt, dass es Aufzüge mit Fluchtluken, die auch von innen aufgehen, nur in Filmen gebe. In Filmen, aber offenbar nicht zwingend in Comics – seltsam, dachte ich, so viel Realismus, inmitten so viel Fantastik. Und schließlich, im Jahr 2008, die Szene in The Dark Knight, in der Bruce Wayne seinen Gimmick-Entwickler Lucius Fox um einen neuen Anzug bittet. Dieser sieht nur an ihm herab und sagt ironisch: „Ja, drei Knöpfe sind 90er Jahre, Mr. Wayne.“ Daraufhin wurde mir klar, dass auch ich eine neue Garderobe brauchte.
Nun gibt es seit vergangenem Jahr ein Buch über Superhelden mit dem (viel zu langen) Untertitel Was wir von Superman, Batman, Wonder Woman und Co. lernen können. Geschrieben hat es der Großmeister Grant Morrison, der im Jahr 1989 Arkham Asylum, eines der innovativsten Batman-Comics geschrieben hat, danach die JLA reformierte und später für Batman und Superman zuständig war. Der Mann kennt sich aus in der Comic-Historie. Und so ist sein Buch, trotz seines Versprechens im Untertitel, vor allem ein Text über ein Stück Kulturgeschichte geworden. Und das ist auch gut so, denn viel lernen können „wir“ vor allem von Morrison.