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Das pralle Leben in Panels

Was Comics können (Teil 3): Ein Vertrag mit Gott von Will Eisner
Norton

Norton

Kein Comic-Kanon kommt ohne den großen Will Eisner aus. Er ist so etwas wie der Godfather der modernen Bilderzählung: so originell sind seine Geschichten, so ausdrucksstark seine Zeichnungen, so geschickt seine Seitenarchitektur, dass seine Trilogie Ein Vertrag mit Gott zurecht als Klassiker gilt.

Ein Mietshaus sei wie ein Passagierschiff, das in einem Meer aus Beton vor Anker liege, heißt es in Ein Vertrag mit Gott. Das Panel, in dem das steht, zeigt einen Keller, gerahmt ist das Bild von einer Backsteinmauer. Wenn das Panel also einem Raum entspricht, dann gleicht ein Mietshaus auch einem Comic. Der Querschnitt durch ein Haus ergäbe eine Architektur aus Panels und in jedem trüge sich eine Geschichte zu.

Ungefähr so ist auch Ein Vertrag mit Gott aufgebaut. Will Eisner erzählt Mietshausgeschichten in Comicform. Er ist selbst in der Bronx aufgewachsen, hat viel erlebt, was er nacherzählen kann, und kennt das Leben dort so gut, dass er auch Stories erfinden kann, die sich dort ereignet haben könnten. Er macht das so gut, dass sein Buch von 1978 zu einem Klassiker geworden ist und mit seinen zwei Fortsetzungen (oder vielmehr Fortschreibungen) als Trilogie erscheint. Und es gilt als Comic, mit dem sich der Begriff „Graphic Novel“ etablierte. Allerdings nannte Eisner sein Werk nur deshalb so, um es großen Verlagen schmackhaft zu machen – allerdings vergeblich. Denn egal wie man sie nannte: Mit Comics war 1978 im Mainstream kein seriöses Buch herauszubringen.

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American Sniper: Toller Tonschnitt!

Warner Bros.

Warner Bros.

Einmal alle politische Kritik beiseite gelassen: Der große Wurf ist American Sniper nicht geworden. Clint Eastwood hat ein enttäuschend einfallsloses Biopic über einen Scharfschützen gedreht. Filmkunst sucht man vergeblich. Bis auf den unnötig pathetischen Abspann, in der Heldenverehrung betrieben wird, wirkt American Sniper schon fast nüchtern-dokumentarisch und unentschlossen. Für eine Satire wird nicht genug übertrieben, aber um ernst genommen zu werden, geht das Drehbuch nicht genug in die Tiefe. Scharfschütze Chris Kyle (Bradley Cooper) knallt – fast skrupellos – Leute ab, weil er an die gute Sache glaubt und das einzige, was ihn unruhig schlafen lässt, ist die Möglichkeit, dass er noch mehr seiner Kameraden hätte retten können. Was in ihm vorgeht, wenn er zu Hause dahockt und katatonisch vor sich hin starrt, bleibt schleierhaft.

Eastwood Einseitigkeit oder gar Rassismus vorzuwerfen, ist zu einfach. American Sniper ist kein Kriegsfilm wie Letters from Iwo Jima oder Flags of Our Fathers (das vielleicht fairste Kriegsfilmduo von 2006), sondern eine Biografie, er nimmt die Perspektive seiner Hauptfigur ein. Das allein ist nicht verwerflich, darum geht es bei solchen Filmen. Allein es fehlt an Inspiration, der den Funken für den Helden oder wenigstens den Stoff überspringen lässt. Aber von einem so alten und auch konservativen Regisseur noch Innovationen zu erwarten, wäre wohl zu viel verlangt. Insofern lässt sich mit einem Oscar für den besten Tonschnitt gut leben. Der Rest ist entbehrlich. Schade eigentlich: Seit Gran Torino und Der fremde Sohn (beide 2008) ist dem Altmeister kein guter Film mehr gelungen.

Das Kartenhaus stürzt ein

Netflix

Netflix

Serienschauen ist harte Arbeit. Ein anstrengender Lustgewinn. Etwa bei House of Cards. Als die dritte Staffel bei Netflix herauskam, war das vergangene Wochenende für unzählige Junkies verplant. Ich habe etwas länger gebraucht, aber trotzdem kam es mir vor, als hätte ich die 13 Folgen verschlungen. Schneller kann die Zeit kaum vergehen als beim Genuss dieses Meisterwerks der Serienkunst. Auch wenn das Zuschauen dieses Mal auch schmerzlich war. Es wird Zeit brauchen, diese vielen Eindrücke, diesen Sturm an Emotionen zu verarbeiten. Zeit für ein wenig Kontemplation.

[ACHTUNG: SPOILER!!! Weiterlesen auf eigene Gefahr!]

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New York im Schnelldurchlauf

Carlsen

Carlsen

Schon mal was von Robert Moses gehört? Nein? Man sollte ihn aber kennen – immerhin war er fast fünf Jahrzehnte lang der Stadtplaner von New York City. Er hat das Aussehen der Stadt geprägt. Ja, man könnte ihn als „den Mann, der New York erfand“ bezeichnen. So jedenfalls lautet der Untertitel des Comicbuchs, in dem Pierre Christin und Olivier Balez sein Leben nacherzählen. Auf rund 100 Seiten. Mit wenig Text und vielen bunten Bildern. Eine Geschichtsstunde für Lesemuffel, könnte man sagen. Ach, wenn es nur das wäre!

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Ein amerikanischer Kanon

Die Liste der Woche: „American“ Movies

Captain Americas Schild

Zum Kinostart von American Hustle eine Retrospektive: Filme, deren Titel mit dem Wort „American“ beginnen. Ihrer Zahl ist Legion. Wir haben einige ausgesucht – und stellen zum Schluss auch die erfolgreichste „American“-Film-Reihe vor. Solche Filmtitel haben absoluten Anspruch: Sie suggerieren ein Alleinstellungsmerkmal oder auch ein Musterbeispiel für einen Aspekt Amerikas zu sein. So bilden die Filme zusammen – auch wenn sie unabhängig voneinander entstanden sind – eine Art amerikanischen Kanon: Von der Jugendnostalgie der 60er Jahre und der Popmusik bis hin zu den schwärzesten Auswüchsen in der Gesellschaft wie Neonazis und mordlüstige, sinnentleerte Banker. Von Durchschnittsbürgern, die zu Alltagshelden werden oder sich selbst zu Comichelden machen, ohne Helden zu sein, bis zum organisierten Verbrechen, in dem der Mythos vom freien, selbstbestimmten Selfmade-Man sich wohl am hartnäckigsten hält.

  • American Graffiti
  • American History X
  • American Beauty
  • American Psycho
  • American Splendor
  • American Gangster

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Carrie go home!

Brody for President!

Brody for President!

Ein Geständnis. Auch wenn Homeland Obamas Lieblingsserie ist, auch wenn sie mit Emmys überschüttet wird, auch wenn ich der einzige Mensch auf der Welt bin: ICH KANN MIT HOMELAND NICHTS ANFANGEN! Ich bitte um ein gnädiges Urteil, denn ich habe es versucht! Eine ganze Staffel lang habe ich aufmerksam zugeschaut, wie eine CIA-Agentin einen aus dem Irak heimgekehrten Marine-Soldaten verfolgt, weil sie ihn für einen Terroristen hält. Doch ich check’s nicht, was an dieser zähen, einfallslosen und nervigen Serie toll sein soll. Ein Rechtfertigungsversuch.

Ganz klar: Das Mädchen hat zu viel ferngesehen. Und vor allem das falsche Programm. Präsidenten wie Reagan, Bush, Clinton, Obama – sie alle sprachen von der terroristischen Bedrohung der USA. Da half auch nicht das Hören von Louis Armstrong oder der Trompetenunterricht, um die Angst vor der unsichtbaren Bedrohung zu zerstreuen. Im Gemengelage zwischen Jazz und Präsidentenreden kam eine verstörende Sonate zustande, die die zarte Seele des Mädchens nachhaltig verstimmte. Nun ist das Mädchen eine Frau geworden. Immerhin brachte sie es zur CIA-Agentin, doch offenbar unterlief ihr irgendwann ein Fehler, dessen Ausmaße sie erst am 11. September 2001 zu spüren bekam. Seitdem arbeitet sie manisch daran, dass so etwas nicht noch einmal passiert. So manisch, dass sie den Wahn nur noch mit Tabletten davon abhalten kann, in die Depression umzuschlagen. Heute nennt man das eine bipolare Störung.

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Die Formel für neues Erzählen

Christoph Dreher, Walter White, Christine Lang. (Collage: Gedziorowski)

Freitag war Serientag bei der B3 Biennale des bewegten Bildes: Der Filmwissenschaftler Christoph Dreher erklärte die neuen Formen der Distribution und Rezeption im „US Quality TV“, Filmemacherin Christine Lang gab einen Einblick in Dramaturgie und Ästhetik der Serie Breaking Bad. Auch wenn die Vorträge interessant anzuhören waren, boten sie leider nicht viel Neues.

Mit dem Begriff „Quality TV“ kann der Filmemacher und Filmwissenschaftler Christoph Dreher nicht so viel anfangen. Er spricht lieber von „Autorenserien“, analog zum Autorenfilm. Denn es sind die Autoren, die bei den neuen Fernsehserien das Sagen haben. „Die Sender haben erkannt, dass man für neuartige, herausragende Qualität die Leute machen lassen muss“, sagte Dreher am Freitag im Frankfurter Kunstverein.

Der Professor stellte dar, dass das Kino in der Krise ist: Einerseits seien viele der designierten Blockbuster in den vergangenen Jahren gefloppt (z. B. Lone Ranger, John Carter), andererseits sei der us-amerikanische Idependentfilm „tot“. „Wenn man interessante Sachen machen will, muss man zum Fernsehen gehen“, sagte Dreher. Schauspieler wie Kevin Spacey und Regisseur David Fincher haben es zuletzt mit House of Cards vorgemacht. Steven Soderbergh hat seinen Spielfilm Liberace für HBO gedreht, in Deutschland läuft er im Kino – und hat einen Emmy bekommen.

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Der Draht zu Amerika

„Homeland ist überall“, sagt Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen. In ihrem Vortrag über die „grenzenlose Begeisterung für US Quality TV“ am Samstagvormittag im Schauspiel Frankfurt sprach sie darüber, was die Faszination über Fernsehserien wie The Wire und Homeland ausmacht. Eine Veranstaltung im Rahmen der Reihe Römerberggespräche.

Der Dickens’sche Aspekt. Das ist der Euphemismus dafür, wenn eine Zeitung mal wieder einen Schmachtfetzen raushaut. Man kennt das: Betroffenheitsgeschichten vom Rande der Gesellschaft. Die Armen und Ärmsten, die Obdachlosen, Junkies und andere Außenseiter. Reportagen aus der Gosse haben die Leser gern. Denn dann ist das Big Drama garantiert. So passiert es auch in der fünften Staffel der TV-Serien The Wire (Ep. 5.06; wer zu den letzten Menschen gehört, der die Serie nicht kennt, muss das jetzt nachholen). Damit ironisieren die Autoren um den Schöpfer David Simon aber ihr eigenes Verfahren: Auch sie bewegen sich mit ihrer multiperspektivischen Erzählung in der europäischen Tradition des Gesellschaftsromans des 19. Jahrhunderts. Vorbilder sind Balzac oder eben Charles Dickens.

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