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Heldenblüte #2: Antihelden

Watchmen: Wir sind keine Helden.

Watchmen: Wir sind keine Helden. (Warner Bros.)

Die Kinogeschichte hat in den vergangenen 15 Jahren gezeigt, dass Helden nicht immer super sein müssen. Mit der neuen Qualität, die das Genre erreicht hat, übt es sich nicht nur in Selbstironie, sondern auch in Selbstkritik. Nachdem Marvel den Anfang gemacht hatte, legte DC mit Batman und Watchmen nach.

Der erste Kinobatman (in den 40er Jahren) war lieblos und billig, der zweite (in den 60er Jahren) bunt und schrill, aber auch albern und selbstironisch. Der dritte (von Tim Burton) war ein Fortschritt in Richtung Düsterkeit, aber immer noch comichaft überzeichnet. Mit den beiden Joel Schumacher-Filmen, Batman Forever und Batman & Robin, wurden alle Errungenschaften wieder über den Haufen geworfen und man fiel zum tumben Trash zurück. Aus dieser kreativen Sackgasse heraus half nur ein Neustart bei Null. Die von Marvel ausgelöste Renaissance der Superheldenfilme hatte vorgemacht, wie man Comics zeitgemäß adaptiert: indem man sie so ernst nimmt wie das Publikum. Nun musste Konkurrent DC Comics nachlegen.

Regisseur Christopher Nolan, der mit Memento Filmgeschichte geschrieben hatte, ging seinen Batman Begins (2005) ganz anders an: Er versuchte, seine Hauptfigur in die Realität zu holen – und zwar so glaubwürdig wie möglich. Das beginnt schon lange bevor man spitze Ohren und Gummimaske sieht. Nolan lässt sich zunächst viel Zeit dabei, Bruce Waynes Motive für seine Wandlung zu erklären. Zentrales Motiv ist die Angst. Wayne kämpft seit dem Sturz in die Höhle mit seinen Dämonen; er gibt sich die Schuld am Mord seiner Eltern. Folgerichtig ist Scarecrow der eine Schurke. Der andere ist Ra’s Al Ghul, der ihn lehrt, mit der Angst umzugehen. Es ist ein Geniestreich der Erzählökonomie, ihn zu Waynes Mentor zu machen, auch wenn das nicht den Comics entspricht. Schließlich bildet er auch in ethischer Hinsicht den perfekten Widersacher.

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Vollendete Universalpoesie

Was Comics können (Teil 5): Watchmen von Alan Moore und Dave Gibbons
DC Comics

DC Comics

Watchmen gehört (neben The Dark Knight Returns) zu den bedeutendsten Superhelden-Comics. Damit erreicht das Genre seinen Höhe- und Endpunkt. Alan Moore und Dave Gibbons ist nicht nur ein Comic gelungen, das die Konventionen des Mediums sprengt. Es ist – Universalpoesie.

Mitte der 80er Jahre, nach fast einem halben Jahrhundert von Superman, Batman und Co., kamen die Superhelden in eine große Krise, eine Sackgasse. Das Konzept schien sich nun definitiv überlebt zu haben. DCs Multiversum war ein unübersichtlicher Haufen voller Helden und Welten geworden, in dem kaum noch einer durchblickte und der durchsetzt mit Brüchen war. Also beschloss man, reinen Tisch zu machen. 1985 wurde mit der zwölfteiligen Mini-Serie Crisis On Infinite Earths eine Schlacht eröffnet, bei dem im DC-Universum gründlich aufgeräumt wurde. Alte Helden starben, viel Unsinn (wie Superkatzen, -hunde und -pferde) wurde beseitigt. Derartig radikal entrümpelt war der Verlag offen für neue, frische Ideen.

In dieser Zeitenwende entstanden zwei größere Comic-Werke, die heute zum Kanon gehören und oft auch zusammen genannt werden – als Paradebeispiele für ernsthafte, erwachsene Superhelden-Storys: Frank Millers Batman-Dystopie The Dark Knight Returns (1986) und Alan Moores/Dave Gibbons‘ Watchmen (1986-1987). Beide Mini-Serien gelten als Abrechnungen mit dem Superheldengenre. Es sind Bankrotterklärungen: an hehre Ziele, Ideale und Heldentum. Es sind die beiden Endpunkte des Genres, Abgesänge und Totenfeiern – und die Säulen einer neuen Ära der ständigen Selbstzweifel und Rechtfertigungsversuche. Die Helden dieser Zeit werden zu Anti-Helden, Zynikern mit zweifelhaften Methoden, die selbst vor Folter und Mord nicht mehr zurückschrecken. Das entspricht einer Mode des sogenannten Modern Age (oder Dark Age, wie Grant Morrison es nennt): Die Helden sind so abgefuckt wie die Gesellschaft, die sie zu schützen versuchen. Eigentlich sind sie damit auch keine Helden, sondern bloß andere Freaks und Außenseiter, die die Drecksarbeit übernehmen, um wenigstens die schlimmsten Auswüchse einer verkorksten Welt zu beseitigen. Die Logik dahinter ist so einfach wie brutal: Der Abschaum rottet sich selbst gegenseitig aus.

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