wes anderson

Von der Tiefsee zum Mars

Über einen Film, in dem David Bowies Musik die Hauptrolle spielt.
Touchstone Pictures

Touchstone Pictures

Steve Zissou, der alte Mann mit dem weißen Vollbart und der roten Strickmütze, steht vor einem jungen Mann in Postboten-Uniform. „Du bist angeblich mein Sohn, nicht wahr?“, fragt Zissou. „Das weiß ich nicht. Doch ich wollte Sie kennenlernen. Für alle Fälle.“ – „Das ist nett von dir.“ – „Ich bin gleich wieder da. Nicht weggehen.“ Sogleich verschwindet der Alte, läuft über das Deck seines Schiffes bis an den Ausguck am Bug und zündet sich eine Zigarette an. Als er seinen ersten tiefen Zug genommen hat, wird die Zeit für einen Moment gedehnt. Und noch während er läuft, wird der Song lauter, dessen Vorgeklimper bereits zuvor zu hören war: David Bowies „Life on Mars?“ Eine dramatische Ballade, getragen von einem Klavier und Streichern, ein Song, der sich theatralisch steigert bis zu einem pathetischen Ausbruch. Für den plötzlich Vater gewordenen Zissou ein Spiegel seiner Gefühle, die er gerade mit einer Kippe zu beruhigen versucht.

stevezissou-lifeonmars

In Wes Andersons Film Die Tiefseetaucher (The Life Aquatic with Steve Zissou, 2004) ist Bowies Musik gefühlt allgegenwärtig. Gespielt wird sie nur zweimal von ihm selbst aus dem Off (das zweite Stück ist „Queen Bitch“), sonst interpretiert sie der brasilianische Sänger Seu Jorge auf einer Akustikgitarre, wobei er die Songs auf portugiesich singt. In mehreren Szenen sieht man ihn bloß auf dem Schiff sitzen, spielen und singen, so selbstvergessen, dass er selbst die Piraten nicht kommen sieht. Seine einzige Pflicht an Bord scheint ohnehin zu sein, für die musikalische Untermalung zu sorgen.

seujorge-zissou01

Es sind die Songs aus Bowies frühester Glanzzeit der 70er Jahre: Von „Space Oddity“ über „Ziggy Stardust“ bis „Rebel, Rebel“, im Abspann „Queen Bitch“. Jorge spielt sie einfühlsam, geradezu zerbrechlich. Oft zeigt sich erst in solchen Unplugged-Versionen, bar jeglicher Produktionsmätzchen, wie gut das Songwriting ist. Jorge lässt sie glänzen Aber wohl am überraschendsten, wenn er aus der straighten Rocknummer „Rebel, Rebel“ eine lässige Ballade macht – und mit dem Wellenrauschen im Hintergrund wird daraus ein Strandsong für Sonnenuntergänge. Selbst David Bowie soll von Seu Jorges Interpretationen begeistert gewesen sein.

seujorge-zissou02

Was haben aber die Songs mit dem Film zu tun? Warum gerade so viel Bowie? Die absurde Tragikomödie Die Tiefseetaucher – man könnte auch titeln „Der alte Murray und das Meer“ oder „Kapitän Ahab alias Zissou jagt den Jaguar-Hai“ – handelt von einem Laien-Meeresforschern, das Dokumentarfilme dreht (wie einst Jacques Cousteau), deren beste Jahre längst hinter ihnen liegen. Steve Zissou und sein Team sind in den 70ern hängen geblieben, die übrige Musik (The Stooges, Devo) stammt aus dieser Epoche oder gar aus früherer Zeit. Bei Wes Anderson ist Nostalgie ein Grundmotiv, Retro ist ein wichtiges Merkmal seines Stils. Da bietet David Bowie sich als Hauptvertreter der 70er natürlich an. Sie waren auch seine beste Phase, oder besser gesagt: mehrere Phasen. Doch im Gegensatz zu Zissou ist Bowie nie auf der Höhe stehengeblieben.

seujorge-zissou04

Auf dem Soundtrack sind fünf Bowie-Cover enthalten, auf einer weiteren CD (The Life Aquatic Studio Sessions) sind 13, davon acht, die nicht auf dem Soundtrack zu hören sind. Eine bessere Hommage ist schwer vorstellbar.

seujorge-zissou04

Leiden für die Leinwand

Die Liste der Woche: Filme übers Filmemachen
Ed Wood

Johnny Depp als Ed Wood

Am interessantesten wird es immer, wenn ein Medium sich selbst thematisiert. Bücher über Bücher, Musik über Musik oder Filme über Filme. Gerade das Kino hat oft darüber nachgedacht, was es da eigentlich macht, wenn es Filme produziert. Immerhin handelt es sich um die Kunstwerke, die am aufwendigsten und teuersten hergestellt werden. Was für ein Nervenkrieg das sein kann und wie viel Liebe zur Kunst man mitbringen muss, um in dieser Branche zu bestehen, wurde in vielen Werken ausgeführt. Wir stellen zwölf der Interessantesten vor.

  1. King Kong (USA 1933, Regie: Merian C. Cooper/Ernest B. Schoedsack; USA u.a. 2005 Peter Jackson)
  2. Shadow of the Vampire (USA u.a. 2000, Regie: E. Elias Merhige)
  3. Aviator (USA/D 2004, Regie: Martin Scorsese)
  4. Ed Wood (USA 1994, Regie: Tim Burton)
  5. Living in Oblivion (USA 1995, Regie: Tom DiCillo)
  6. Abgedreht (Be Kind Rewind) (USA/UK 2008, Regie: Michel Gondry)
  7. Die Tiefseetaucher (USA 2005, Regie: Wes Anderson)
  8. Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel (Deutschland 2012, Regie: Aron Lehmann)
  9. Hitchcock (USA 2012, Regie: Sacha Gervasi)
  10. Reise ins Herz der Finsternis (Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse, USA 1991, Regie: George Hickenlooper, Fax Bahr, Eleanor Coppola)
  11. Und dann der Regen (Mexiko, Spanien, Frankreich 2010, Regie: Icíar Bollaín)
  12. Lost in La Mancha (USA 2002, Regie: Keith Fulton & Louis Pepe)

(mehr …)

Places to be

Die Liste der Woche: Filmhotels

Yellow Sumarine

Es gibt diese Szene in Yellow Submarine. Der Kapitän des U-Boots betritt das Haus der Beatles und findet sich in einem endlosen Korridor mit unzähligen Türen wieder. Allerlei kurioses Zeug kommt aus diesen Türen heraus und verschwindet dort wieder. Es wirkt wie ein Irrenhaus. Oder ein Hotel, was irgendwie ganz ähnlich ist. Ein Haus voller Türen und ständig wechselnden Bewohnern. Doch jedes Hotel hat seine eigenen Spezifika – vor allem in Filmen. Wir haben Wes Andersons Grand Budapest Hotel zum Anlass genommen und einen kleinen Reiseführer zusammengestellt.

(mehr …)

Keine Wünsche offen

Grand Budapest Hotel

Auf Wes Anderson ist Verlass. Der 44-Jährige Regisseur hat sieben Spielfilme gedreht, alle sind großartig – und vor allem: unverkennbar sehen sie nach Wes Anderson aus. Allesamt sind sie perfekte, liebevoll arrangierte Dramen mit einem feinsinnigen Humor. Bottle Rocket war noch der nette Gehversuch eines Neulings, aber bereits mit Rushmore hatte er sich gefunden, spätestens mit den Royal Tenenbaums stieg er in die Königsklasse der Filmemacher auf. Es folgten Die Tiefseetaucher, Darjeeling Limited, Der fantastische Mr. Fox, Moonrise Kingdom. Nun ist mit Grand Budapest Hotel der achte Film erschienen. Und der Kritiker, der Nörgler in mir würde jetzt gerne mal etwas daran auszusetzen haben. Einfach schon deshalb, weil so viel Lob nicht sein kann, das ist höchst suspekt und ungesund. Aber nein, ich kann nicht anders als entzückt vom Kinosessel zu rutschen, auf die Knie zu fallen und mit letzter Kraft zu hauchen: Bravo!

(mehr …)