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Münchner Fragmente #4: Presse

Foto: Lukas Gedziorowski

Foto: Lukas Gedziorowski

Das Leben schreibt bekanntlich die besten Geschichten. Man muss sie nur mitkriegen, aufschnappen und festhalten. Manchmal liegen sie auf der Straße. Dann muss man sie bloß aufheben. Sind sie zerstückelt, kann man sie selbst zusammensetzen. Dann ergeben sich manchmal auch ganz neue Geschichten:

Australier stürzt von Zeltbalkon. Ehemann droht mit Bombe. Münchens Loch im Bundestag. Hier ist alles drin. Ganz normaler Wahnsinn.

Kurze Sätze gefährden die geistige Gesundheit

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, jenes ehrwürdige Blatt deutscher Traditionalisten, das, weil es keine neuen Abonnenten gewinnen kann, wenigstens seine Stammleserschaft zu pflegen versucht, indem es immer wieder den Niedergang der westlichen oder wenigstens der deutschen Kultur verkündet, beklagt in ihrer heutigen Ausgabe – genauer gesagt in der Glosse des Feuilletons – den Niedergang des Schachtelsatzes. Der Häppchen-Logik folgend stünden „derzeit“ – respektive heutzutage oder in dieser unserer Zeit (von welcher man glaubt, daß es die letzte sei) – wohin der Leser auch blicke, also „überall“, nur noch knappe Sätze. Statt Adjektiven, Substantiven und Passivkonstruktionen gebe es nur noch starke Verben und Stummelsyntax, und um das am besten zu veranschaulichen bemüht die Frankfurter Allgemeine Zeitung (kurz: FAZ genannt) den guten alten Thomas Mann, der für seinen steifärschigen Schachtelstil bekannt, berühmt, berüchtigt und gefürchtet ist.

Man nimmt also einen langen Satz – beispielsweise aus den nobelgepreisten Buddenbrooks – und zerhacke ihn in seine Einzelteile, schon sollte auch dem dümmsten Leser klar werden – und davon hat die FAZ (wenigstens dem eigenen Anspruch nach) nicht viele -, dass hier Schindluder mit der Sprache getrieben wird, dass das Kurze gut ist für die Dummen aber schlecht für die FAZ-Leser, gemäß dem Motto, dass man das Bedeutende, das Wichtige, sprich Gewichtige, an seiner Schwere erkennt, während das Simple mit seiner geradezu lachhaften Unterkomplexität die Gesundheit des Geistes gefährde, weil die Welt nun mal komplex sei und man das auch mindestens ebenso komplex (am besten komplexer!) ausdrücken müsse, weil dann nämlich niemand etwas versteht und sich jeder seins dabei denken kann und sich die wenigen, die sich da durch mühen, am Ende aufatmen und triumphal herausrufen können: geschafft! – Einfach kann ja jeder.

Und der Leser, welcher bis hier dieses aufgeblasene Geschwätz durchgehalten hat, wird das sofort einsehen, ein FAZ-Abo abschließen, um sich folglich täglich mit einem Wälzer von Zeitung zu kasteien, der seine Leser mit hochtrabenden Bandwurmsätzen zu erwürgen droht und das auch noch für einen Beitrag zur Erhaltung der Sprachkultur sieht, als eine Art intellektuelle Bürgerwehr gegen die Barbarei der einfachen, klaren und anschaulichen Sprache, die unsere Kinder verrohen und nur noch auf Steinzeitniveau in verstümmelten Sprachfetzen twittern und whatsappen lässt. „Dagegen muss etwas getan werden“, schreibt die FAZ in aller Kürze – und klingt dabei so banal und primitiv wie bleilastige Snobs an ihren Stammtischen nur klingen können.

Berliner Fragmente #33: Druck

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Tonnenschwere Papierrollen, unzählige Druckplatten, hallenfüllende Maschinen, Berge von Makulatur und eine ausgeklügelte Logistik – und das alles nur, damit Menschen mit Informationen versorgt werden. Was für ein immenser Aufwand betrieben wird, um Zeitung herzustellen, wird in der Druckerei deutlich. So perfekt ausgeklügelt und reibungslos das System ist, so anmutig der Ablauf in der Fabrik erscheint, im Internetzeitalter wirkt das Herstellen von Druckplatten, die man mit Farbe bestreicht und auf Papier abrollt, so antiquiert wie die Gutenberg-Presse. Eigentlich Wahnsinn, dass das immer noch getan wird. Aber der Mensch liebt das Papier. Und wer jemals eine frischgedruckte Zeitung in den Händen hielt, übers Papier strich und den Duft einsog, kennt diesen heiligen Moment, etwas Neues zu berühren. Der Genuss der Zeitung ist wie der von frischem Brot, außer dass die Zeitung auch noch frisch wirkt, wenn sie eigentlich von gestern ist.

Berliner Fragmente #29: Zeitung

Foto: Lukas Gedziorowski

Foto: Lukas Gedziorowski

Sie tun einem leid, die armen Gestalten, die einem als Zugbegleiter die Motz oder den Straßenfeger anbieten, jene Obdachlosenzeitungen, mit denen sich ihre Verkäufer ein Zubrot zu verdienen versuchen. Manche halten lange Ansprachen, in denen sie marktschreierisch den Inhalt ihrer Ware anpreisen, die meisten halten sie den Menschen nur mit wenigen Worten hin; es ist ihnen sichtlich unangenehm. Es ist kein Betteln, aber nur wenig besser. Sie bietet ein Blatt an, das keiner haben will. Wer dennoch Erbarmen aufbringt, wirft zumindest etwas in den Pappbecher. Für weniger als den Verkaufspreis (1,50 Euro) kriegt jeder, was er will: der Quälgeist seine kärgliche Spende, der Fahrgast seine Ruhe und ein gutes Gewissen. Zudem spart man sich die Makulatur.

Für den Zeitungsjournalisten ist es wie ein Blick in die Zukunft. Irgendwann wird vielleicht er selbst in dieser Rolle sein. Wenn es in einigen Jahren nur noch eine Zeitung gibt, nachdem die anderen eingegangen sind und die verbliebenen sich zu einer zusammengeschlossen haben, wenn die Menschen ihre von Newsbots geschriebenen Nachrichten direkt über Applegooglezon in ihr iAndroid-betriebenes Gehirn gespeist bekommen und bedrucktes Papier nur noch etwas für Nostalgiker ist wie Grammophone. Dann werden die alten Journalisten die Zeitung, die sie gemacht haben, selbst unter die Leute zu bringen versuchen und die Leute werden mitleidig gucken und denken: Traurig, der Arme kann nichts anderes, hat den Absprung in die Propaganda-Abteilungen nicht geschafft und ist an seinen Papiergeschichten hängen geblieben. Dann wird der Journalist froh sein, wenn er eine kleine Anerkennung für seine Mühe bekommt, auch wenn niemand sie beachtet. Doch es hat auch sein Gutes wenn er seine Zeitungen nicht los wird: dann hat er nämlich eine gute Unterlage, wenn er sich nachts unter die Brücke legt.

Die Jagd nach dem Knüller

Die Liste der Woche: Journalistenfilme
Good Night and Good Luck

Good Night and Good Luck

So spannend die Arbeit von Journalisten sein kann, so schwer ist aus ihr ein spannender Film zu  machen. Selten geben die mühsamen Prozesse der Recherche, der Interviews und anderer Hindernisse genug für eine gute Geschichte her. Die gute Geschichte gibt es im Idealfall zu lesen, der Weg dorthin bleibt meistens unerzählt. Einige Filmemacher haben es dennoch versucht. Wir stellen einige Filme über Journalisten vor.

  1. Network (1976)
  2. Frost/Nixon (2008)
  3. State of Play (2009)
  4. Insider (1999)
  5. Die Unbestechlichen (1976)
  6. Extrablatt (1974)
  7. Good Night and Good Luck (2005)
  8. Schlagzeilen (1994)
  9. Nachrichtenfieber – Broadcast News (1987)

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