Wer die Welt zusammenhält

Die Liste der Woche: Filme über die Finanzbranche, Teil 2 (Dokumentationen)
Bankenturm in Frankfurt am Main

Bankenturm in Frankfurt am Main (Foto: Lukas Gedziorowski)

Nachdem wir vor einigen Wochen Spielfilme über Banker, Makler und Spekulanten vorgestellt haben, geht es nun ans Eingemachte: Fünf Dokumentationen zeigen uns – mal mehr, mal weniger neutral -, wie es wirklich in der bunten Welt der Wirtschaft zugeht. Firmenpleite bei Enron, Globalisierung, Kapitalismus, Liberalismus, Finanzkrise und das Leben von Investmentbankern sind die Themen. Und mal wieder schleicht sich die Erkenntnis ein, dass die Realität viel grotesker, absurder und wahnsinniger ist als die Fiktion. Insofern eine Warnung vorab: Wer alle fünf Filme gesehen hat, könnte zum Revolutionär werden, in die Politik gehen oder Wirtschaft studieren, um den ganzen Laden mal umzukrempeln. Es ist dringend nötig.

  1. Master of the Universe
  2. Inside Job
  3. Enron – The Smartest Guys In The Room
  4. Let’s Make Money
  5. Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte

Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte (Capitalism: A Love Story, USA 2009, Regie: Michael Moore)

Wir beginnen mit der leichtesten Kost. Regisseur Michael Moore macht eigentlich keine Dokumentarfilme, sondern Polemik. Seine Filme sind politische Statements, sie haben klaren Appellcharakter. Das ist leicht zugänglich und unterhaltsam für den Zuschauer, aber damit findet Moore auch zu einfache Lösungen für komplizierte Probleme. So auch hier. Moore vergleicht die Gegenwart mit der spätrömischen Dekadenz, er führt die Auswirkungen der Finanzkrise vor, aber auch die zum Himmel schreienden Ausmaße des Kapitalismus, etwa dass Unternehmen Lebensversicherungen auf (und nicht für) ihre Mitarbeiter abschließen. Das ist mal witzig, häufig erschütternd. Obwohl er viele Experten befragt, macht er sich selbst unglaubwürdig, wenn er sich den Begriff des Kapitalismus von einem Freund erklären lässt, der – wie Moore selbst sagt – nur einen Grundkurs in Wirtschaft belegt hat. Und am Ende wird es dann richtig peinlich, wenn der Regisseur einen Laster anmietet und bei den Großbanken vorfährt, um die 700 Milliarden Dollar abzuholen, die die USA ihnen in der Krise spendiert haben. Wie dem auch sei: Als Einführung ist der Film in Ordnung – wenn auch mit Vorsicht zu genießen.

Skyline in Frankfurt

Skyline in Frankfurt (Foto: Lukas Gedziorowski)

Let’s Make Money (Österreich 2008, Regie: Erwin Wagenhofer)

Baumwollanbau in Burkina Faso und ein Beton-Tsunami in Spanien, Goldabbau in Ghana und Geldfluten für Steueroasen. Während die Baumwolle in den USA subventioniert wird, gehen die Burkiner leer aus, Ghana sieht nur 3 Prozent vom Goldgewinn, im hochverschuldeten Spanien stehen Millionen von neugebauten Häusern leer und das Geld, das auf Geheimkonten vor den Finanzämtern versteckt wird, könnte versteuert alle finanziellen Probleme auf einen Schlag lösen. – Erwin Wagenhofer (We Feed The World) stellt den Irrsinn der Finanzwirtschaft vor. Stocknüchtern, ohne Kommentare aus dem Off. Er lässt die Fakten sprechen – und die Menschen vor der Kamera: Marktliberale Investoren wie Globalisierungskritiker. Kritiker bemängelten, dass die Szenen zu sehr nebeneinander stehen, viel vereinfacht, wenig erklärt und vor allem keine Frage beantwortet wird. So sei der Erkenntnisgewinn gering: Die Reichen beuten die Dritte Welt aus, nur dass sie diese mittlerweile Emerging Markets nennen. Antworten im Sinne von Lösungen auf weltweite Probleme zu verlangen ist allerdings zu kurz gedacht, weil sie wahrscheinlich ebenso zu einfach und damit fragwürdig ausfallen würden. Stattdessen werden viele Facetten eines komplexen Sachverhaltes dargestellt. Allerdings hätte der Film ruhig etwas kürzer sein können, manche informationsfreien, eher illustrativen Einstellungen sind zu ausführlich geraten.

Enron – The Smartest Guys In The Room (USA 2005, Regie: Alex Gibney)

Image ist alles. Wer erfolgreich sein will, so lehrt es uns Hollywood (hier: American Beauty), sollte zunächst einmal das Image des Erfolges ausstrahlen – unabhängig von den Tatsachen. Genauso ist es mit Enron passiert. Der Energiekonzern stieg zu einem der größten Unternehmen auf und galt als innovativer Erfolgsgarant. Das Problem ist: Die Bilanzen wurden jahrelang beschönigt und gefälscht, das Geld kam mit zum Teil illegalen Mitteln herein, zum Beispiel hat Enron auf den Strompreis spekuliert – und ihn zu den eigenen Gunsten manipuliert. Im Jahr 2001 platzte dann die Blase: Enron war pleite. Von jetzt auf gleich standen rund 20.000 Menschen auf der Straße. Die Verantwortlichen kamen ins Gefängnis. Die Doku stellt dar, wie sehr das Image des Erfolges so wichtig werden kann, dass die Menschen dabei ihre Misserfolge leugnen und damit nicht nur sich, sondern auch viele andere ins Unglück stürzen.

Bankentürme in Frankfurt

Bankentürme in Frankfurt (Foto: Lukas Gedziorowski)

Inside Job (USA 2010, Regie: Charles Ferguson)

Dieser Film ist der schwierigste in dieser Reihe. Charles Ferguson, oder vielmehr Sprecher Matt Damon, erklärt anhand von vielen Interviews mit Experten und Akteuren der Finanzwirtschaft, wie es zur Krise kommen konnte und wie diese aufgearbeitet wurde – nämlich schlecht. Deregulierung der Märkte, Zockerei mit Derivaten, Maßlosigkeit, Skrupellosigkeit. Dann kam die milliardenschwere Rettung, aber an den Spielregeln hat sich bis heute nicht viel geändert. Selbst die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaft trägt ihren Teil dazu mit bezahlten Gefälligkeitsartikeln bei. „Es ist eine Wall Street Regierung“, lautet der erschreckendste Satz, der im Film fällt. Das alles ist so einfach und anschaulich wie möglich dargestellt (viel gründlicher als bei Michael Moore), aber wird in einem so hohen Tempo abgearbeitet, dass es dem Laien etappenweise schwer fallen könnte, den abstrakten Ausführungen zu folgen. Da ist man dankbar für Atempausen, wenn hin und wieder ein paar Luxus-Häuser, Privatjets und Yachten zu sehen sind. Am meisten sagt jedoch das Gestammel und das Schweigen mancher Protagonisten aus, die Bitte die Kamera kurz abzustellen oder der pikierte Verweis, dass die Interview-Zeit gleich rum sei. Die wichtigsten Verantwortlichen haben überhaupt verweigert, im Film mitzuwirken. Danach weiß man, warum.

Hochhäuser in Frankfurt

Hochhäuser in Frankfurt (Foto: Lukas Gedziorowski)

Master of the Universe (Deutschland 2013, Regie: Marc Bauder)

Ein ehemaliger Investmentbanker läuft durch ein leerstehendes Bürogebäude in Frankfurt am Main und plaudert aus dem Nähkästchen. Dann noch ein paar schöne Einstellungen von Bankentürmen und Skyline. Mehr braucht es nicht, um einen spannenden, wenn auch unaufgeregten Dokumentarfilm zu drehen. Denn das, was Rainer Voss da erzählt, hat es in sich. Er erklärt uns zwar nicht, wie es zur Finanzkrise kam, aber dafür, wie die Branche funktioniert: Er beschreibt eine völlig realitätsfremde Parallelgesellschaft, in der nur der Profit, nur das Recht des Stärkeren zählt. Er beschönigt nichts, macht nicht Banken, sondern Menschen verantwortlich, zeigt aber auch, dass diese Menschen in einem kaputten System handeln, das eigentlich nichts anderes als aus dem Ruder laufen kann. Man hängt an seinen Lippen und kann es einfach nicht fassen. Das Erschreckendste ist sein Ausblick: Dass die Finanzkrise nichts am System geändert hat und dass alles so weitergeht, wie bisher. Nach den Schuldenkrisen von Griechenland, Portugal, Spanien und Italien soll bald Frankreich dran sein. Und dann? „Game over.“

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