Der überfleißige Jeff Lemire lässt nichts anbrennen. Während die Leser seiner Black Hammer-Serie auf den vierten Band warten, vertreibt er ihnen die Zeit mit immer wieder mit Spin-offs. Normalerweise sind solche Geschichten in Superhelden-Comics Füllmaterial, Lemire aber erweitert damit seine Welt um Charaktere (wie etwa den Schurken Sherlock Frankenstein und den Helden Doctor Star) und nun auch eine ganz neue Zeit: das Quantum Age.
100 Jahre später spielt der neue Band, in einer Zeit, in der die alten Helden entweder tot oder vergessen sind, Black Hammer ist immer noch eine Frau, aber im Ruhestand. Die Welt wird beherrscht von einem Tyrannen mit Superkräften, der einst selbst ein Helden der Quantum League war. Nach einer Invasion böser Marsianer mussten die Helden das ultimative Opfer bringen, um die Welt zu retten, aber das führte zur Diktatur. Nun sammeln sich die verbliebenen Good Guys, um den Schurken zu besiegen.
Die Quantum League ist Lemires Hommage an die League of Superheroes von DC, dabei wird der Cyborg Archive zum Brainiac 5-Ersatz, der die Funktion des Roboters Talky Walky übernimmt. Ansonsten ist es eine ziemlich traurige Truppe, die hier zusammenfindet: Barbaliteen ist der letzte Marsianer, Modula ist eine lilafarbene Alienfrau, die ihre Beine verloren hat und nun Kette raucht, Erb ist ein gürteltierartiger Telepath, der von tiefer Skepsis und Grammatikproblemen geprägt ist. Damit erinnert die neue Quantum League auch eher an eine Chaostruppe wie die Guardians of the Galaxy.
In mancher Weise erinnert der Plot an die Avengers-Filme Infinity War und Endgame. Hier wie da geht es um eine Mission Impossible gegen einen schier unbesiegbaren Gegner. Hier wie da geht es um ein Opfer, das vielen den Tod bringt, aber auch viele retten soll. Hier wie da berechnet ein Superhirn alle Wahrscheinlichkeiten vieler Pläne. Hier wie da wird eine Zeitreise in Erwägung gezogen, um das Schlimmste zu verhindern, bevor es passiert. Allerdings: Für sein Dilemma findet Lemire am Ende eine geschickte und originelle Lösung, die nicht auf den üblichen Kampf zwischen Gut und Böse hinausläuft.
Wie immer schafft es Lemire, in nur sechs Kapiteln einige Charaktere mit Leben zu füllen und hier sogar noch stärker den Bogen zur Hauptserie zurückzuschlagen. Nur der Schurke kommt dabei zu kurz, obwohl er deutlich Potenzial hätte, mehr als bloß ein böser und fast allmächtiger Tyrann zu sein. Der Comic leidet auch auf der visuellen Ebene, denn Zeichner Wilfredo Torres inszeniert die Welt zu glatt, detailarm, fast schon steril und seine Figuren lassen an Ausdruck zu wünschen übrig. An die Sperrigkeit eines Dean Ormston, der Black Hammer seinen Charakter verleiht, kommt Torres nicht heran. Die knallbunten Farben von Dave Stewart können gegen diesen Eindruck nur wenig ausrichten.
Mit The Quantum Age beweist Lemire zwar große Ambitionen, indem er zwar noch einen 100 Jahre währenden Erzählrahmen absteckt und sogar weit darüber hinausweist, was die Fans auf noch viele Geschichten aus dieser Welt freuen lässt. Die Zeichnungen hindern den Comic aber daran, sein volles Potenzial zu entfalten.
>> Jeff Lemire/Wilfredo Torres: The Quantum Age, Dark Horse 2019.
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